Die neue ZDF-Serie „Blutige Anfänger“ erzählt von Schüler:innen der Polizeihochschule Halle, die wäh­rend ihres Praxissemesters den Mord an ihrem Dekan auf­klä­ren wollen.

Etwas über­ra­schend war es 2017 vor­bei. Nach vier Jahren gemein­sa­men Ermittelns war die Krimiserie „Zorn“ um den gleich­na­mi­gen Kommissar und sei­nen Sidekick, den dicken Schröder, abge­setzt wor­den. Aufgrund schwa­cher Quoten stell­te der MDR die Romanverfilmungen ein und gab ande­ren Krimiserien den Vorzug. Und Halle ver­lor damit wie­der ein­mal an media­ler Bedeutsamkeit. 

Seit Ende Januar hat sich das aber geän­dert. In der neu­en ZDF-Vorabendserie „Blutige Anfänger“ absol­vie­ren vier Schüler:innen der Polizeihochschule Sachsen-Anhalt ihr Praxis­semester bei der Mordkommission. Dafür wur­de der Sitz der ech­ten Polizeihochschule von Aschersleben nach Halle ver­legt. Neben Halle dien­ten auch Potsdam und das Berliner Umland als Drehorte. Das Drehbuch schrie­ben die Geschwister Heike Brückner von Grumbkow und Jörg Brückner, zu deren bis­he­ri­gen Werken unter ande­ren Episoden der Daily Soaps „GZSZ“, „Unter uns“ und „Verbotene Liebe“ zählen. 

Illustration: Gregor Borkowski

Durch Zufall in einen Mord verwickelt

Im Zentrum der Handlung ste­hen die vier Polizeischüler:innen Inka (Luise von Finckh), Kilian (François Goeske), Marc (Timmi Trinks) und Ann-Christine (Jane Chirwa). Zum anste­hen­den Praxissemes­ter geht es natür­lich dar­um, die begehr­ten Praktikumsstellen in der Mordkommission zu bekom­men. Glücklicherweise sind die vier Freund:innen Klassenbeste und gera­ten – natür­lich voll­kom­men zufäl­lig – irgend­wie selbst in die lau­fen­den Ermittlungen eines Mordfalls. Ein zuvor geschos­se­nes Selfie hilft den Überflieger:innen dann selbst­ver­ständ­lich auch den Fall zu lösen und bringt ihnen die erwünsch­ten Stellen bei der Mordkommission. Wie soll­te es anders sein? 

Während der fei­er­li­chen Verkündung der Zuteilungen ahnt kei­ner von ihnen, dass im sel­ben Moment der Dekan der Hochschule in sei­nem nahe­ge­le­ge­nen Büro erschla­gen auf­ge­fun­den wird. Verdächtigt, die Tat began­gen zu haben, wird Inkas Mitbewohnerin Leonie (Larissa Marolt), die eben­falls Polizeischülerin ist und eine Affäre mit dem Dekan hat­te. Da die­ser ihre Liebe aber nicht erwi­der­te und auch noch die Tatwaffe in ihrem Auto gefun­den wird, scheint der Fall klar.

Auch wenn das im ers­ten Moment alles sehr kon­stru­iert klin­gen mag, schafft es „Blutige Anfänger“ nach und nach, die Charaktere viel­schich­tig zu zeich­nen. So muss etwa die Liebes­beziehung zwi­schen Inka und Kilian eini­ge Härtetests bestehen. Nicht nur, weil Kilian auf alles und jeden eifer­süch­tig ist. Auch Inka gibt durch ihre Unehrlichkeit immer wie­der Anlass, um ihren Freund in sei­nem Misstrauen zu bekräf­ti­gen. Marc muss sich mit der Rolle sei­ner Familie wäh­rend der Nazidiktatur aus­ein­an­der­set­zen und fühlt sich in sei­ner Familienehre ver­letzt. Ann-Christine hin­ge­gen sieht sich als Person of Color mit dem oft­mals gegen sie gerich­te­ten Rassismus und Sexismus konfrontiert. 

An den falschen Stellen inkonsequent

Den vier Polizeischüler:innen zur Seite steht eben­falls ein Quartett, bestehend aus dem Leiter der Mordkommission Sami Malouf (Neil Malik Abdullah), den bei­den Kommissaren Michael Kelting (Werner Daehn) und Lorenzo Battiato (Salvatore Greco) sowie der Kriminalpsychologin Julia Salomon (Esther Schweins). Zusammen mit ihren Mentor:innen ste­hen die Schüler:innen in jeder Folge einem ande­ren Fall gegen­über, wobei sie bis zum Finale der Staffel auf der Spur des:der Mörder:in ihres Dekans sind. Auch hier­bei fällt auf, dass sie eben noch kei­ne fer­tig aus­ge­bil­de­ten Polizist:innen sind. Ob es sich nun um die etwas holp­ri­ge Übermittlung einer Todesnachricht han­delt oder das Verhör eines Verdächtigen, das ohne trif­ti­ge Beweise bei­na­he nach hin­ten los­geht. Selbst das Scheitern bei einer Polizeieinsatzübung oder das wis­sent­li­che Verstecken einer unschul­dig geglaub­ten, aber zur Fahndung aus­ge­schrie­be­nen Person, eines haben alle Unzulänglichkeiten der Hauptfiguren gemein­sam: Sie blei­ben ohne rich­ti­ge Konsequenz. Nun könn­te man anneh­men, dass die Schüler:innen in gewis­ser Weise unter Welpenschutz ste­hen. Oder aber die Autor:innen woll­ten sich bewusst nicht mit den Konsequenzen auseinandersetzen. 

Illustration: Gregor Borkowski

„Tatort“ für unsere Generation

Wer den „Tatort“ als Sonntagabendunterhaltung für alte Leute betrach­tet, der soll­te „Blutige Anfänger“ viel­leicht eine Chance geben. Im Allgemeinen wirkt die Serie sehr modern, nicht ein­ge­staubt, wie man es vom deut­schen Film erwar­ten könn­te. Die Schnitte sind flott, die Kameraführung alles ande­re als sta­tisch. Bei dem ein oder ande­ren mag viel­leicht auch etwas Lokalpatriotismus auf­kom­men. Denn ja, es macht schon etwas stolz, die Stadt, in der man lebt, als Handlungsort zu sehen. Dabei kom­men nicht nur immer wie­der Zeitrafferaufnahmen vom Marktplatz, dem Hallmarkt oder der Hochstraße zum Zuge. Auch die­nen bei­spiels­wei­se die Moritzburg, das Landgericht oder der Halle Tower als Schauplätze. Besonders ist außer­dem, dass die Protagonist:innen nicht kurz vor der Pension ste­hen, son­dern am Anfang ihrer Karriere. Sie haben dem­nach die glei­chen Probleme, Ängste und Interessen wie Menschen unse­rer Generation. Das erleich­tert eine Identifikation mit den vier Polizeischüler:innen unge­mein. Die Serie ist nicht nur Krimifans zu emp­feh­len, son­dern auch den­je­ni­gen, die es noch wer­den wollen. 

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