Noch im Winter machte sich die hastuzeit auf den Weg ins Umweltzentrum in der Franzigmark, um die BUND-Jugend – die sich in Halle gerade neu gründet – zu interviewen. Ein Gespräch über Ziegen, den neuen Pavillon und etliche Bildungsangebote und Aktionen.
Das Interview findet in einer alten Holzhütte statt, auf dem Weg dorthin begrüßen uns bereits Schafe und Ziegen. Im Hintergrund läuft Musik, und es gibt erst mal Kaffee und Kuchen. Peter ist noch Schüler und hat die Gruppe in Halle mit ins Leben gerufen. Marie und Felix machen gerade ihren Bundesfreiwilligendienst in der Franzigmark, und Christopher studiert Geografie an der MLU.
Mit am Tisch dabei ist Peggy Engelmann, die Verwaltungsleiterin des regionalen BUND-Verbandes Halle-Saalekreis. Sie ist zuständig für die Verwaltung des Geländes, die Koordination der Ehrenamtlichen und vieles mehr. Die Jugendlichen beschreibt sie als »vier sehr, sehr aktive junge Menschen, die neulich in Magdeburg schon in hohe Gremien gewählt worden sind und jetzt ganz, ganz aktiv in Sachsen-Anhalt mitbestimmen, Themen und Inhalte erarbeiten und euch da draußen die Möglichkeit geben, selbst aktiv zu werden.«
BUND-Jugend, was bedeutet das eigentlich, und wer kann da alles mitmachen? Wie lange gibt es eure Gruppe in Halle schon, und was wären die nächsten Aktionen, die ihr gerne starten würdet?
Marie: Prinzipiell können alle zwischen 14 und 27 Jahren mitmachen. Getroffen haben wir uns jetzt schon ein paarmal, wir waren Ende 2018 in Magdeburg und haben da ganz viele Ideen gesammelt, wie zum Beispiel eine Konsumrauschparty. Wir wollen Partys organisieren, in denen alles möglichst regional und auch fair angeboten wird, auch in Bio-Qualität, um einfach auch zu zeigen, Konsum kann was Schönes sein, aber dann bitte nachhaltig.
Peter: Wir machen viele verschiedene Aktionen. Hier in Halle wollen wir als erstes den Pavillon in der Franzigmark ausbauen, den wir dann zukünftig als Jugendtreff nutzen können. Wir wollen einfach eine coole Gruppe aufbauen, die sich regelmäßig trifft, coole Aktionen macht und gemeinsam zu Demos fährt. Wir sind zum Beispiel am 1. Dezember nach Berlin gefahren zur »Kohle stoppen!«-Demo.
Was die Zukunft angeht, was sind eure Erwartungen, Wünsche oder Träume?
Christopher: Meine Vorstellung von der Jugendgruppe des BUND ist, dass wir in lockerem, aktivem und dynamischem Umfeld Aktionen planen und natürlich auch durchführen, damit wir in erster Linie junge Menschen erreichen. Durch die allgemein gehaltenen Aktionen wollen wir eine Außenwirkung entfalten, dass Umweltschutz gerade für die junge Generation etwas sehr Attraktives und auch Durchsetzbares sein kann.
Marie: Ich fände es schön, wenn wir Obst und Gemüse anbauen könnten. Hier gibt es die Gelegenheit dafür, hier gibt es Beete und Gewächshäuser. Es wäre einfach schön zu schauen: Wie kann ich auch auf engem Raum, vielleicht sogar in der Stadt, versuchen mich selbst zu versorgen? Da können wir ausprobieren, welches Obst und Gemüse man am besten anpflanzt – auch in Kombination, um auf Pestizide verzichten zu können, weil sich bestimmte Pflanzen gegenseitig schützen können.
Christopher: Generell mit jungen Menschen Workshops zu planen und durchzuführen, die zeigen, wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz in den Alltag integriert werden kann. Denn es sind die kleinen Dinge im Alltag, die sich häufen und der Umwelt sehr zur Last fallen. Auf die großen Dinge, die auf politischer und wirtschaftlicher Ebene stattfinden, haben wir natürlich auch Einfluss, aber ich denke, der Bürger als Konsument sollte erst mal klein anfangen. Dafür sind solche Workshops, zum Beispiel zum Thema Plastikvermeidung, ganz schön.
Habt ihr konkrete Tipps für den Alltag, wie sich dieser umweltbewusster gestalten lässt?
Marie: Naturkosmetik finde ich ein schönes Thema. Man denkt immer, das ist alles so kompliziert. Ich bin vor zwei Jahren einfach auf ein Stück Seife umgestiegen, die Seife kostet vielleicht am Anfang mehr, aber sie hält länger, und dadurch kann ich auch tatsächlich Geld sparen. Ich weiß, dass es natürlich ist, kenne die Inhaltsstoffe, und es ist nicht in Plastik verpackt. Das könnte man zum Beispiel auch in Workshops anbieten. Man könnte aber auch das Thema gesunde Ernährung anbieten: Regional und saisonal kochen, schauen, was es für Wildkräuter gibt. Einfach einen bewussteren Umgang mit der Natur lernen.
Peter: Auch dass man sich ganz praktische Dinge anguckt. Mittlerweile hat ja jeder ein Handy in der Tasche. Woraus besteht das eigentlich, unter welchen Bedingungen wird es produziert, was hat das für einen CO₂-Fußabdruck? Ich glaube, das ist auch wichtig herauszufinden und sich das bewusst zu machen.
Wir sind ja hier im Umweltzentrum Franzigmark, könnt ihr darüber noch ein bisschen erzählen?
Marie: Das Umweltzentrum Franzigmark ist ein sehr, sehr schöner Ort. Es ist sehr naturnah und ein Stück außerhalb von Halle – eine wunderschöne Strecke, um mit dem Fahrrad zu fahren. Wir haben hier diverse Tiere: Schafe, Ziegen, Puten, Kaninchen, Hühner und Meerschweinchen, und dann ist auch noch ein Reitverein mit auf dem Gelände. Wir wollen zeigen, dass man Tiere artgerecht halten kann.
Ansonsten gibt’s hier auch noch eine Ökoschule, wo Angebote für Klassen bereitgestellt werden. Wir haben aber auch Besuchersonntage, die sind immer am ersten Sonntag im Monat. Jeder ist herzlich eingeladen vorbeizukommen. Wir bieten diverse Workshops an, und es gibt immer leckeres Essen – bio und meist regional.
Peter: Die Franzigmark ist ein Ort des Austausches und des Zusammenkommens, man lernt neue Leute kennen. Was cool ist: Im Sommer gibt es von der überregionalen BUND-Jugend beziehungsweise von Peggy organisiert ein Kindercamp für fünf Tage. Da wird richtig Umweltbildung gemacht, und man erfährt die Natur.
Geht ihr auch in Schulen, um Umweltbildung anzubieten? Ihr habt vorhin die Ökoschule erwähnt.
Peggy: Tatsächlich gehen wir im Rahmen unseres »Wildkatzen«-Projektes auch in Schulen rein. Das ist ein EU-gefördertes Projekt, in dem es um das Thema Artenschutz geht. Wir informieren nicht nur über die Wildkatze, sondern auch über andere schützenswerte Lebenswesen. Es geht darum, die Kinder spielerisch und fachlich daran heranzuführen, wie Tierschutz betrieben werden kann und welche Gebiete schützenswert sind. Wir haben auch direkt im Umweltzentrum eine Imker-AG und noch Kapazitäten für eine weitere AG, sei es mit Schwerpunkt Insektenschutz, aber auch mit unseren Haustieren kann man ganz viel erleben, auch eine Haustier-AG ist möglich.
Zur Ökoschule: Das ist ein über das Land finanziertes Projekt, beziehungsweise über die Schulen der näheren Umgebung. Da kommen Lehrer, die dafür abgeordnet sind, und bieten Bildung bei uns auf dem Gelände an, das heißt, Unterricht wird praktisch erlebbar: Chemie, Physik, Biologie. Diese ganzen Themen sollten nicht trocken am Schultisch stattfinden, sondern draußen in der Natur, erst dann kann man einen Bezug dazu entwickeln.
Ich bekomme oft Feedback von Erzieher*innen und Lehrer*-innen, die sagen, die Kinder waren zwar nur einmal hier, aber das, was sie hier erlebt haben, nehmen sie fürs ganze Leben mit, denn das finden sie nicht in der Stadt. Das hier ist ein wichtiges Zentrum, wir werden nicht auf einen kahlen Acker gehen und dort Umweltbildungsangebote machen oder in einem Neubaublock. Nein, das müssen wir vor Ort tun, das können wir zwar auf Bildern sehen, aber das zu fühlen und zu erfahren ist noch mal etwas ganz Anderes. Wir wollen uns nicht entfremden von der Natur, sondern wir sind Bestandteil, und das kann man im Umweltzentrum und nur noch an ganz, ganz seltenen und wenigen Orten erleben. Davon haben wir viel zu wenige Orte. Das müssen wir erhalten, dafür übernehmen wir die Verantwortung, deswegen hat der BUND gesagt, wir dürfen das hier nicht schließen. Maßgeblich der Regionalverband Halle-Saalekreis hat sich hier ganz, ganz stark gemacht, dem haben wir viel zu verdanken.
Eine Frage an die Bundesfreiwilligendienstler hier am Tisch. Vielleicht gibt es ja Leser*innen, die auch Lust haben, einen Bundesfreiwilligendienst zu machen. Warum macht ihr das, was ist eure Motivation dahinter, und was könnt ihr dann hier machen?
Marie: Ich persönlich bin hauptsächlich für die Tierpflege zuständig, das heißt, ich kümmere mich darum, dass die Tiere jeden Tag frisches Futter und Wasser haben, und mache die Gehege sauber. Ich habe aber auch sehr starken Kontakt zu den Tieren. Grade bei den Ziegen geht es darum, dass sie eigentlich die Hänge beweiden sollen. Die sind aber noch sehr scheu, und da ist es eine meiner Aufgaben, die Ziegen ein bisschen zu zähmen, damit wir sie auf die Weide geleiten können. Ansonsten beteilige ich mich auch an der Landschaftspflege und der Öffentlichkeitsarbeit. Im Prinzip sind uns nicht so viele Grenzen gesetzt, also, wenn ich jetzt Lust auf Projekte habe, kann ich das vorschlagen.
Felix: Unter anderem bin ich deshalb hierhergekommen, weil man viel draußen sein kann. Auch wenn ich eigentlich in der Büro- und Öffentlichkeitsarbeit tätig bin, bin ich doch viel im Gelände und helfe mit in der Gelände- und Tierpflege. Es ist wunderschön, dass man so einen engen Kontakt zu den Tieren haben kann und auch zu den Menschen. Das freut mich sehr, und das kann ich auch nur jedem empfehlen.
Peggy: Okay, und zum Schluss kriegt ihr noch einen Input von mir, einen ganz wichtigen. Werdet politisch groß aktiv, meine Unterstützung habt ihr auf jeden Fall. Wir müssen ganz viel bewegen. In den nächsten zehn Jahren kriegen wir mit, wo der Kurs mit unserer Erde und mit unseren Menschen hingeht – ihr dürft ganz, ganz groß denken. Fragt mich, nutzt die Kontakte des BUND, klinkt euch da mit ein. Denn jetzt tickt die Uhr, und wir wollen sie nicht rückwärts, sondern vorwärts ticken lassen. Traut euch. Macht große Sachen. Wir stehen hinter euch.
Also, wenn ihr euch bei der BUND-Jugend melden und vielleicht auch mitmachen wollt, schreibt über Facebook oder per Mail. Ihr könnt ganz unverbindlich Fragen stellen oder interessante Beiträge und Bilder schicken. Vielleicht gibt es auch irgendwo einen Missstand, den ihr gemeinsam aufklären könnt.
- Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (kurz: BUND) wurde 1975 gegründet und ist eine der großen Umweltschutzorganisationen in Europa. Etwa 2000 lokale Gruppen sind deutschlandweit aktiv. Die BUND-Jugend ist der unabhängige Verband für junge Menschen bis 27 Jahren mit über 70 000 Mitgliedern.
- bundjugend [at] bund-halle [dot] de