Zwischen Baumkronen, Wolken oder in voll­kom­me­ner Leere – Highlinen ver­setzt einen an atem­be­rau­ben­de Orte, mit­ten in der Luft.

Slacklinen wird oft mit Seiltanzen ver­gli­chen, hat aber tat­säch­lich einen ganz ande­ren Ursprung. In den 60er Jahren wur­de es eini­gen Kletterern im Yosemite-Nationalpark (USA) zu lang­wei­lig, und sie began­nen auf Absperrtauen und ‑ket­ten her­um­zu­ba­lan­cie­ren, bis sie schließ­lich eige­ne Klettermaterialien benutz­ten. Dieser Balanceakt auf der Slackline (dt. schlaf­fe Leine) wur­de zu einer neu­en Herausforderung und ent­wi­ckel­te sich mit dem Aufkommen des Schlauchbands in den 80ern schnell zu einer eige­nen Sportart.

Frauke in Löbejün Foto: Lea Albert

Auch auf der Ziegelwiese in Halle kann man von Zeit zu Zeit eini­ge SlacklinerInnen erspä­hen. Slacklines gibt es in vie­len Formen, Farben und Größen: kur­ze, lan­ge, straf­fe, locke­re, dün­ne, dicke, nied­ri­ge und hohe. Es ist ein Sport vol­ler Möglichkeiten und Kreativität. Daher ist es auch wenig über­ra­schend, dass schon nach kur­zer Zeit die ers­ten Slacklines in meh­re­ren Metern Höhe gespannt wur­den – das war die Geburtsstunde des Highlinens (dt. Hohe Leine).

Aufbau für den Extremfall

Heutzutage ist das Riggen (dt. Aufbauen) einer sol­chen Highline hoch­kom­plex. Highline-Setups sind immer red­un­dant aus­ge­legt. Die ver­schie­den wir­ken­den Kräfte müs­sen berech­net, das Material sorg­fäl­tig aus­ge­sucht und die Ankerpunkte für die Line prä­zi­se unter­sucht wer­den. Gesichert ist man durch einen Klettergurt, der mit der Leash (dt. Leine) durch einen Achterknoten ver­bun­den ist. Die Leash besteht hier­bei aus einem Stück Kletterseil und einem Stahlring, der geschlos­sen um die Highline liegt. Dabei kann also nichts auf­ge­hen, bre­chen oder rei­ßen. Zusätzlich gibt es noch eine »Backup-Line«, die eben­falls an einem Ankerpunkt fixiert und mit Tape unter die »Main-Line« geklebt wird. Diese Backup-Line sichert die HighlinerInnen im Falle eines Reißens der Main-Line, was aber in Wirklichkeit eher sel­ten vor­kommt. Der Aufbau von Highlines ist eine kom­pli­zier­te Angelegenheit, dafür ist das Begehen im Anschluss aber auch umso siche­rer für die SportlerInnen.

Heute fin­det man Highlines, die zehn bis meh­re­re hun­dert Meter hoch auf­ge­baut und meis­tens zwi­schen 30 und 200 Meter lang sind. Gespannt wer­den sie zwi­schen allem, was in der Höhe liegt – Felsen, Bäumen, Häusern und Industriekränen zum Beispiel. Natürlich gibt es auch hier Extreme: Den Weltrekord für die längs­te gelau­fe­ne Nylon-Highline wur­de 2016 in der Auvergne (Frankreich) mit 650 Metern Länge in 200 Metern Höhe auf­ge­stellt. Die höchs­te Highline über Grund ist jedoch tat­säch­lich eine Ballon-Highline, die zwi­schen zwei Heißluftballons 1400 Meter über dem Erdboden (1800 Meter über dem Meeresspiegel) befes­tigt und dann von Andy Lewis gelau­fen wurde.

Ausblick mit Nervenkitzel

Doch wenn der Wind durch das Haar weht, die Sonne auf den Rücken scheint und sich unter den Füßen nichts außer 2,5 Zentimeter dün­nes Band und 50 Meter gäh­nen­de Leere befin­den, ver­steht man die­se Verrücktheit plötz­lich. Keiner ver­gisst das ers­te Mal auf einer Highline. Es brennt sich ins Mark und lässt nicht mehr los. Für vie­le ist es der Beginn des Kampfes gegen die Höhenangst, gegen die Angst vor dem Fall. Für ande­re ist es die atem­be­rau­ben­de Leere, der umwer­fen­de Ausblick und der Beginn einer neu­en Passion. Auf jeden Fall ist es für alle eine Herausforderung. Eine Reise, auf der man sei­ne kör­per­li­chen und psy­chi­schen Grenzen zu erfor­schen und dann zu über­schrei­ten wagt.

Peter aus Leipzig am Karl-Heine-Kanal Foto: panoRAL

Schon auf einer nor­ma­len Slackline im Park braucht man Gleichgewicht, Körperspannung, Konzentration und eine gleich­mä­ßi­ge Atmung, um die Schwingungen der Line aus­zu­glei­chen und ruhig auf dem Band lau­fen zu kön­nen. Selbst wenn man die­se grund­le­gen­den Techniken beherrscht – auf der Highline muss man fast schon wie­der von vorn begin­nen. Die psy­chi­sche Komponente ist für vie­le so prä­sent, dass der Körper sich wei­gert, die gewohn­ten Bewegungen ein­fach umzu­set­zen. Auch wenn man kei­ne rich­ti­ge Angst hat, ist die Umgebung so unge­wohnt, dass man meis­tens meh­re­re Wochen oder Monate braucht, um end­lich auf­ste­hen und ein paar Schritte machen zu kön­nen. Natürlich dau­ert das Ganze dann gleich mal dop­pelt so lang, wenn man wirk­lich Höhenangst oder Angst vorm Fall hat. Doch gera­de das macht die Herausforderung – über­win­det man sei­ne Ängste nicht am bes­ten, indem man sich damit kon­fron­tiert? Aus eige­ner Erfahrung kann ich das bestä­ti­gen. Der Weg ist lang, doch es lohnt sich, denn man wird man einem fan­tas­ti­schen Gefühl und einem wun­der­ba­ren Ausblick belohnt.

Für alle Angsthasen, fana­ti­sche KletterInnen, SlacklinerInnen und »nor­ma­len« Menschen da drau­ßen: Probiert es ein­fach mal aus! Vielleicht ent­deckt Ihr Eure neue Passion, viel­leicht auch nicht. Aber ein Erlebnis ist es auf jeden Fall wert.
Motivierte SlacklinerInnen vom Slackline Halle e. V. fin­det Ihr immer don­ners­tags gegen 17 Uhr auf der Ziegelwiese. Geht ein­fach hin und macht mit, denn jeder ist willkommen!

Der Slackline Halle e. V. ist ein gemein­nüt­zi­ger Sportverein rund ums Slacklinen. Hier könnt Ihr euch aus­pro­bie­ren, wie Ihr lus­tig seid. Neben den gewöhn­li­chen Slacklines (Low-lines), gibt es auch Jumplines/Tricklines, Longlines, Rodeolines, Waterlines und natür­lich auch Highlines.
- www.slacklinerhalle.de
- Instagram, Facebook: slack­li­ner­hal­le

Wer in Leipzig wohnt oder das Highlinen erst ein­mal lang­sam ange­hen möch­te, kann sich auch mit den SlacklinerInnen des Slacknetz Leipzig e. V. am Karl-Heine-Kanal tref­fen. Dort gibt es eine anfän­ger­freund­li­che »Midline« (mit­tel­ho­he Highline) in ca. 10 Metern Höhe über Wasser.
- www.slacknetzleipzig.de
- Instagram, Facebook: slacknetzleipzig 

Zwei Highliner in den fran­zö­si­schen Alpen auf 1300 Metern
Foto: Lea Albert

»Das schweißt total zusammen«

Am Himmelfahrtswochenende die­ses Jahres tra­fen sich SlacklinerInnen aus ganz Deutschland in Ostrov (Tschechien), um gemüt­lich mit­ein­an­der zu high­li­nen. Neben dem Steinbruch in Löbejün (nörd­lich von Halle) ist Ostrov im Elbsandsteingebirge einer der weni­gen Highlinespots in der Region. In die­ser kun­ter­bun­ten Mischung von Menschen hat sich die has­tu­zeit Felix und Janne aus Halle raus­ge­sucht, um mit ihnen ein klei­nes Interview zu führen.

Wann wart ihr das ers­te Mal auf einer Highline?
Felix: Das war vor drei Jahren in Chemnitz beim Slackfest 2016.
Janne: Ich war vor zwei Jahren das ers­te Mal in Löbejün auf einer 20-Meter-Line.

Wie oft im Jahr geht ihr high­li­nen?
Felix:
Durchschnittlich ein- bis zwei­mal im Monat.
Janne: Ich viel­leicht drei­mal im Jahr.

Hattet ihr vor­her Höhenangst, und habt ihr jetzt noch Höhenangst?
Janne:
Ich hat­te kei­ne, weil ich vor­her schon klet­tern war.
Felix: Ich habe kei­ne Angst, aber Respekt vor der gan­zen Geschichte.

Was gefällt euch am meis­ten dar­an, auf der Line zu sein?
Janne:
Ich find’s cool, wenn man den Moment hat, in dem man in der Luft auf einem Band ist, sich dann umschaut und so rich­tig spürt, wie man mit­ten im Nichts steht.
Felix: Was gefällt mir am bes­ten am Highlinen? Naja, dass man sich mit dem Respekt oder mit der Angst so sehr aus­ein­an­der­set­zen muss. Man muss sich da sozu­sa­gen selbst im Kopf drauf ein­stel­len, um das hin­zu­krie­gen und das durch­zu­zie­hen. Aber auch die gan­ze Vorbereitung dafür. Das ist ein schö­ner Prozess bis dahin. Man plant und baut das auf, geht da drü­ber, freut sich und ist am Ende total glück­lich, dass man so eine Leistung voll­bracht hat.

Janne in Ostrov
Foto: Lea Albert

Kann ein nor­ma­ler Mensch auch Highlinen ler­nen?
Janne:
Ich glau­be, wir sind auch nor­ma­le Menschen. Ich habe min­des­tens ein Jahr gebraucht, um ein paar Schritte zu lau­fen, also ja.

Was braucht man dazu?
Janne:
In mei­nem Fall braucht es die Community, die einem die Lines auf­baut und einen drauf­zwingt. Es muss aber natür­lich auch Spaß machen.
Felix: Man muss es auf jeden Fall wol­len, sich auch ein biss­chen über­win­den und dazu zwin­gen, das zu machen. Das macht man nicht mal so kurz neben­bei, son­dern das ist dann schon eine grö­ße­re Sache.

Ein schö­nes Erlebnis?
Felix:
Hier in Ostrov jetzt beim Meeting hab ich’s geschafft, die Motu – das ist eine 100-Meter-Highline – ein­fach durch­zu­lau­fen, und auch ohne dass ich jetzt die Erwartung vor­her hat­te. Ich bin da mit dem Gedanken ran­ge­gan­gen: »Oh, die ist ganz schön lang und ist auch hoch und aus­ge­setzt. Schaff ich das? Kann ich das schaf­fen?« Da bin ich drauf­ge­gan­gen und hab’s gemacht, und das ist schon ein gei­les Gefühl danach.
Janne: Wir waren mal in der Türkei, und da sind drei Lines über­ein­an­der­ge­spannt gewe­sen. Da bin ich zum ers­ten Mal eine Highline durch­ge­lau­fen. Nebenbei war Felix ganz oben und Frauke in der Mitte auf der Line, und wir waren alle zu dritt in der Türkei, an der Riverside auf den Lines, und das war schon rich­tig cool. Das ist ein­fach ein schö­nes Gefühl, wenn man zusam­men so was erlebt. Das schweißt total zusam­men.
Felix: Ja, das Wichtigste ist, dass man das zusam­men mit den ande­ren macht. Das ist ein Gesamtpaket. 

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