Clea DuVall schafft es mit ihrem Film „Happiest Season“ eine viel zu selten erzählte Liebesgeschichte in eine konfliktreiche und gleichzeitig lustige Weihnachtsgeschichte einzubetten. Ein Film, der das ganze Jahr über geschaut werden kann.
Nach Weihnachten ist bekanntlich vor Weihnachten. Aber nicht nur wer die Feiertage jetzt schon vermisst und heimlich noch den Tannenbaum in der Wohnung stehen hat, sollte sich „Happiest Season“ anschauen.
Abby (Kristen Stewart) hasst Weihnachten. Aber als ihre Freundin Harper (Mackenzie Davis) sie bittet, über die Feiertage mit zu ihren Eltern zu kommen, findet sie Gefallen an dem Gedanken. Erst kurz vor der Ankunft gesteht Harper ihr: Das Coming-Out ihren Eltern gegenüber, das so gut gelaufen sein soll, gab es nie. Abby ist in den Augen von Harpers Eltern nur die elternlose Mitbewohnerin ihrer Tochter. Für die Eltern ist es folglich ein Mutter-Theresa-gleicher Akt der Nächstenliebe und damit natürlich auch überhaupt keine Diskussion, dass Abby Weihnachten dort verbringen darf. Im perfekten Eigenheim läuft alles auf Hochtouren. Der Vater will Bürgermeister werden und muss Spender:innen anwerben, die Mutter hat gerade Instagram für sich und – noch viel schlimmer – für die Kampagne ihres Mannes entdeckt. Die eine Schwester ist eine perfekte Mutter zweier furchtbarer Kinder und macht nebenbei noch irgendetwas mit Geschenkkörben und Gwyneth Paltrow. Die andere Schwester ist hauptsächlich für den Drucker oder das W‑LAN zuständig. Eine ganz normale, weiße, reiche, amerikanische Familie eben. Probleme vorprogrammiert.
Unter dem Brennglas der zwischenmenschlichen Verhältnisse, das Weihnachten ist, werden in „Happiest Season“ diverse Konflikte verhandelt. Stellenweise überzeichnet dienen die Nebencharaktere als Comic Relief für die Grundfrage des Films: Wer wird hier versteckt, und für wen ist das schlimmer? Versteckt Harper ihre Freundin aus Angst vor der Reaktion ihrer Familie, oder versteckt sie sich selbst? Und liebt eine Person mich überhaupt, wenn sie das nicht öffentlich machen kann oder will?
Dass ein Coming-Out heute noch als Hauptproblem eines künstlerischen Werks auftritt, ist ebenso tragisch wie wichtig. In „Happiest Season“ wird eine lesbische Liebesgeschichte mühelos in ein sowieso schon existierendes Familiendrama eingebaut. Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Clea DuVall schafft es, eine Geschichte zu erzählen, die von Liebe handelt und von Angst, Erwartungen und Konventionen.
DuVall, die bei der Darstellung von Harpers Eltern und Schwestern stellenweise ins Klischeehafte abrutscht, gelingt es bei anderen Nebencharakteren zu brillieren. Harpers Ex-Freundin (Aubrey Plaza) und Abbys bester Freund (Dan Levy, dessen preisgekrönte Show „Schitt’s Creek“ auch sehr zu empfehlen ist) stehen beide für die Unterschiedlichkeit individueller Lebenswege. Sie verkörpert den Schmerz und die Kollateralschäden, die aus dem „Verstecken” erwachsen können. Er dafür, dass ein Coming-Out auch schmerzvoll sein kann.
„Happiest Season“ ist ein Film, der leichte Unterhaltung verspricht und gleichzeitig eine Geschichte erzählt, wie man sie heutzutage immer noch viel zu selten hört, liest oder sieht. Er funktioniert als Rückzugsort in diesen stürmischen Zeiten und birgt das Versprechen, dass alles am Ende besser wird. Ein Versprechen, das wir im Moment alle gut gebrauchen können.
„Happiest Season“ kann man sich unter anderem bei Amazon, Sky und Google Play ausleihen.
Bildquellen
Kristen Stewart: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/68/Kristen_Stewart_during_interview_in_2019.png
Mackenzie Davis: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7a/Mackenzie_Davis_by_Gage_Skidmore.jpg