Diese Serie soll Frauen gewidmet werden, die einen Bezug zu Halle haben. Ob hier geboren, aufgewachsen oder studiert, meist prägten diese Persönlichkeiten über Halle hinaus Kunst, Gesellschaft und Kultur. Den Anfang macht Isolde Schmitt-Menzel, die Erfinderin der »Maus«.
Wer kennt sie nicht, Kinder wie Erwachsene, die Figur mit den klickenden Kulleraugen und dem orangen Fell: die Maus. Bekannt aus Büchern, Spielen und besonders dem Fernsehen, ab 1971 mit ihren »Lach- und Sachgeschichten«, begeistert uns das vorwitzige Nagetier bis heute. Dabei läuft sie im Flimmerkasten nicht einfach von A nach B, sondern erlebt lustige wie wissenswerte Geschichten und hat auch die eine oder andere Idee parat. So kommt es schon mal vor, dass aus ihrem Schwanz ein Springseil wird oder damit einfach Sachen repariert werden. Der WDR erkannte das Talent des orangen Kleintiers und nahm die lustigen Geschichten ins Kinderprogramm auf.
Doch schon lange vor der Sendung mit der Maus illustrierte Schmitt-Menzel während ihrer Arbeit als freischaffende bildende Künstlerin vor allem Kinderbücher und Fernseh-Bildergeschichten. Dabei legte sie sich in Stil und Materialien keineswegs fest. Freiheit und Gestaltung der unterschiedlichsten Art spiegeln sich in ihren Grafiken, Gemälden, Skulpturen, Holzschnitten und Keramiken wieder.
»Meine Eltern hatten ein altes Rechnungsbuch mit leeren Seiten. Darin durfte ich malen.«
So begann mit etwa fünf Jahren ihr Interesse fürs Zeichnen erstmals zu sprießen. Die Darstellung von Tieren machte Schmitt-Menzel schon früh sehr viel Freude. Einzelne dieser Lebewesen wurden aufs Wesentliche reduziert und gleichzeitig zu einzigartigen Charakteren gemacht. Daraus entstand schließlich die Maus. Jedoch erschuf sie mit dem Kater Toto, dem kleinen Bären und der Ratte Ida auch andere Charaktere, die heute weitestgehend unbekannt sind.
Alles schien möglich
Schmitt-Menzels Kindheit wurde von viel Freiheit begleitet. Sie ging nur ein paar Jahre in den Kindergarten, verbrachte die freie Zeit mit Zeichnen und Lesen und hielt sich von den Erwachsenen fern, weil diese in ihren Augen nur störten. 1940 musste sie, wie alle zehnjährigen Mädchen jener Zeit, dem »Bund Deutscher Mädel« beitreten. Die Familie war dabei gezwungen, den Garten zu bewirtschaften und im Herbst im Wald Bucheckern zu sammeln. Somit bestand das Leben in der späten Kriegszeit für die Heranwachsende aus Schule und Gartenarbeit.
1946 verdiente sie bereits ihr erstes eigenes Geld, indem sie selbstgeschnitzte Holzpuppen an einen Laden in Eisenach verkaufte. Von dem verdienten Geld nahm sie Zeichenunterricht beim Kunstmaler Manfred Kandt. Die daraus entstandenen Zeichnungen wurden zu einer Mappe zusammengefügt, womit sie sich 1947 an der Kunstschule Burg Giebichenstein vorstellte. Nach erfolgreichem Bestehen wurde sie in die Vorklasse aufgenommen. Der lehrende Professor war begeistert von ihren Tierzeichnungen. Es folgte ein Wechsel in die Keramikklasse. Auf-
gebaut von der Bauhaus-Meisterschülerin Marguerite Friedlaender
genoss diese zu jener Zeit einen sehr guten Ruf. Begeistert von den Vorlesungen über abstrakte Kunst um Paul Klee sowie Oskar Kokoschka belegte sie neben der Farbenlehre, Malerei und dem Aktzeichnen auch Kurse der Schrift- und Buchgestaltung.
Von den Eltern nicht unterstützt musste Schmitt-Menzel zusammen mit einer anderen Studentin in der sogenannten »Pauline« wohnen, einem Gesindehaus auf dem Gelände des heutigen Objekt 5 in der Seebener Straße. Der Krieg jedoch war endgültig vorbei, und es herrschte Aufbruchstimmung. Alles war auf einmal interessant, alles schien möglich zu sein. Unter den Studierenden wurde sich rege ausgetauscht. Angeregt von japanischen Holzschnitten las sie Haikus (eine japanische Gedichtform) und Bücher über den Zen-Buddhismus. Die Gesellinnenprüfung hatte sie nach zwei Jahren vorzeitig und mit Auszeichnung bestanden.
Keine Freiheit in der DDR
Die sowjetische Besatzung machte für Schmitt-Menzel einen Aufenthalt in Halle auf lange Dauer unmöglich. Eingeschränkt in ihrer individuellen Freiheit durch den Kommunismus wollte sie ihr Leben in Westdeutschland fortsetzen. So flüchtete sie eines Nachts über die Zonengrenze nach Bayern zu ihrem Onkel an den Ammersee. Dort kam sie für einige Zeit in einer Keramikwerkstatt unter. Ihr Studium war jedoch noch nicht abgeschlossen, und so studierte sie ab 1950 an der Werkkunstschule Offenbach weiter Schrift- und Buchgestaltung. Durch ihren Professor erhielt sie erste Aufträge. So sollte sie beispielsweise ein Wandbild mit den Ansichten von Frankfurt am Main und Umgebung für die Reiseauskunft des Frankfurter Hauptbahnhofs entwerfen.
Dadurch lernte sie ihren späteren Ehemann Ottmar Schmitt kennen. Der Architekt und die Studentin heirateten 1952 und bekamen im folgenden Jahr ihren ersten Sohn. In dieser Zeit fertigte Isolde Teppichentwürfe und Holzschnitte an und illustrierte Texte. 1955 zog die Familie nach Köln. Dort kamen auch ihre nächsten zwei Kinder zur Welt. Nach einem weiteren Umzug 1959 nach Frankfurt am Main begann Schmitt-Menzel, in der Keramikwerkstatt des Jugendhauses zu unterrichten.
Eine damalige Nachbarin schrieb Kurzgeschichten für den Hessischen Rundfunk und empfahl Schmitt-Menzel als Illustratorin für diese Geschichten. Anschließend arbeitete sie mehrmals mit dem Autor Günter Spang zusammen und illustrierte einen Großteil seiner Bücher. Über Kontakte begann sie schon 1965 für die »Lach- und Sachgeschichten« des Westdeutschen Rundfunks Bildergeschichten zu zeichnen. Sie ließ sich 1971 scheiden und zog mit den beiden jüngsten Kindern nach Bad Homburg, wo sie eine Keramikwerkstatt einrichtete. Dort intensivierte sie ihre Arbeit an der Aufbaukeramik, also dem Töpfern ohne angetriebene Drehscheibe. Ihre Arbeiten wurden jährlich auf dem Künstlermarkt im Römer in Frankfurt am Main ausgestellt.
Erste Aufträge fürs Fernsehen
1969 beauftragte sie der WDR, »Die Maus im Laden« zu zeichnen.
»Die Maus im Laden war eine langweilige Geschichte. Da waren nur diese Zuckerdinger und Mehltüten zu malen. Es war furchtbar und die Mäuse auch noch grau.«
Schmitt-Menzel entschied sich schließlich, die Mäuse verschiedenfarbig zu gestalten. Eine wurde orange mit braunen Ohren. Diese gefiel dem WDR sofort. Der Rundfunk plante eine neue Sendung im Kinderfernsehen und beauftragte deshalb Schmitt-Menzel im August 1970, sich kleine Geschichten mit der orangefarbenen Maus auszudenken. So legte sie 1970 die zehn ersten Storyboards für einen Trickfilm vor.
Die Maus wurde von ihr nochmals umgestaltet. Sie lief nämlich zunächst auf vier Beinen. Schmitt-Menzel änderte sie aber so ab, dass sie stehend auf zwei Beinen und von der Seite dargestellt wurde. Die Phasen für die ersten zehn Filme waren 1971 fertiggezeichnet. Die erste Sendung der »Lach- und Sachgeschichten« lief dann am 7. März 1971 in der ARD. Die Umbenennung in »Die Sendung mit der Maus«, ausgelöst durch den großen Erfolg der orangen Maus, erfolgte kurz danach am 23. Januar 1972.
Bis 1974 entstanden aus Isolde Schmitt-Menzels Feder 130 Storyboards mit Geschichten von der Maus. Noch 1972 begann das Merchandising um die lustige Figur seitens Verlagen und Firmen. Der WDR setzte durch, dass ihre Funk- und Fernsehrechte abgegeben werden mussten. Der Erfolg der Maus weckte Begehrlichkeiten der Fernsehredakteure und des Trickfilmzeichners, die zudem eine Mit-Urheberschaft an der Figur anstrebten. In mehreren Gerichtsverfahren musste Schmitt-Menzel daraufhin beweisen, dass sie die alleinige Urheberin der Maus war. Infolgedessen nahm die Redaktion des WDR keine weiteren Storyboards von ihr an. Ihr Wille, die Maus am Leben zu erhalten, beschränkte sich nun auf Bücher und Spiele, in denen zusammen mit neuen Figuren wie dem kleinen Bären und Ida der Ratte auch neue Abenteuer erlebt wurden. Die Klage des WDR wurde 1984 abgewiesen, und Schmitt-Menzel gelang es bis dahin, einige ihrer neuen Werke zu vermarkten.
Die Maus sollte Isolde Schmitt-Menzel ihr Leben lang begleiten. Die Rechte an der Vermarktung wurden zwar 1996 an das Westdeutsche Werbefernsehen abgegeben, das Urheberrecht blieb jedoch bei ihr. Über zahlreiche Bücher, herausgegeben vom Ravensburger Verlag, über die Arbeit mit Keramiken, begann ab 1980 ihre große Reisephase. Zusammen mit einer befreundeten Keramikerin verbrachte sie die Sommer auf Jamaika. Dort, mitten im Dschungel, baute sie sich ein Holzhaus und arbeitete weiter an Geschichten rund um die Maus. 1985 zog es sie auf die Kaimaninseln. Dort trat sie dem örtlichen Künstlerbund bei und stellte mehrmals ihre Arbeiten aus. Ab 1991 entstanden weitere Bücher und sogar Hörspiele. Abermals zog sie weiter. In Texas baute sie sich ein Holzhaus im japanischen Stil. Dort lebt sie zusammen mit Hund, Katze, Fischen und baut selbst Gemüse an. Ihre Kreativität hält an, weitere Bücher entstehen. Seit 2000 ist sie im Sommer oft in der südlichen Provence. Abseits der Maus beginnt sie Bücher ohne Mausthematik zu entwerfen, in die sie japanische Haikus und Weisheiten schreibt.
»Ich lebe gerne frei und ohne Bindung. Dabei liebe ich besonders Kinder, Tiere, Bäume und meine kleine Maus. […] Ich reise gerne durch diese wundervolle Welt. Dabei höre ich nicht auf zu lernen und zu lieben.«