Wovon handeln feministische Geschichten? Von Würde, Wut und Widerstand – und davon, wie vielschichtig diese in weiblichen Lebensrealitäten verankert sind. Sie fordern heraus, eröffnen neue Perspektiven und bringen auf diesem Wege auch richtig starke Kunst hervor.

Hidden Figures: Unbekannte Heldinnen
Von Theodore Melfi
US / 127 min / FSK 0
Basierend auf wahren Begebenheiten zeigt der Film die Geschichte der drei Schwarzen US-Amerikanerinnen Katherine Johnson, Dorothy Vaughn und Mary Jackson, die bei der NASA als Mathematikerinnen gearbeitet haben. Sie trugen maßgeblich zum Erfolg der Apollo-
11-Mission, also der ersten Mondlandung, bei.
Dieser Film zeigt die persönlichen Herausforderungen einer Frau um die 1960er Jahre. Dabei geht die Story besonders auf das Schicksal von Schwarzen Frauen ein. So werden diese nicht nur von ihren männlichen Arbeitskollegen stark unterschätzt, sondern erfahren keine Solidarität von ihren weißen Kolleginnen. Trotz der erschwerten Bedingungen lassen sie sich nicht unterkriegen und bewirken am Ende nicht nur den Erfolg der Apollo-Mission, sondern auch ein Umdenken der NASA- Mitarbeiter:innen. Für alle, die der Artikel „Matilda-Effekt“ angesprochen hat, ist dieser Film genau das Richtige, denn diese Frauen sind unbekannte Heldinnen.

Little Women
Von Greta Gerwig
US / 135 min / FSK 0
Die Geschichte der vier Schwestern Jo, Meg, Amy und Beth macht einen trüben Regentag leichter und angenehmer. Sie haben alle unterschiedliche Pläne vom Leben, wobei die von Jo nicht dem typischen Frauenbild entsprechen. „The world is hard on ambitious girls“ ist nur eines von vielen großartigen Zitaten der Geschichte. Der Film zeigt, dass jeder Traum es wert ist, ausgelebt zu werden und dass Träume sich unterscheiden können. Es lohnt sich, sowohl den unterhaltsamen Film anzuschauen, wie auch das großartige Buch von L. M. Alcott zu lesen – für alle Lesemäuse. Greta Gerwigs Produktionen sind generell eine Empfehlung, wenn es um feministische Filme geht. Der erfolgreiche Film „Barbie“ ist ebenfalls von ihr.
Text: Jolina Marmai

Promising Young Woman (2020)
von Emerald Fennell
US, UK / 114 min / FSK 16
Eine junge Frau liegt auf einem Bett, sichtlich betrunken, während ihr ein Typ mit der Hand unter die Klamotten fährt. Immer wieder fragt sie nuschelnd „Was machst du da?“, was er mit ein paar gemurmelten Worten abfrühstückt, ohne sein Tun zu unterbrechen. Plötzlich ändert sich ihr Blick, er wird klar. Sie richtet sich auf und fragt selbstbewusst und ohne jeglichen Anflug von Trunkenheit: „Ich sagte: Was machst du da?“ – diese Szene war es, die Emerald Fennell nicht mehr aus dem Kopf ging. Daraufhin schrieb sie diesen Film. Die Szene ist nun Teil des Prologs.
Es gäbe so viel, was man über „Promising Young Woman“ sagen könnte. Wie geschickt er Genres vermengt und einen Rachethriller mit den Elementen einer Liebesgeschichte und Black Comedy anreichert. Wie er seine Hauptfigur Cassie gemeinsam mit ihrer Wut und Trauer immer wieder in Settings voller bunter Farben und süßer Details versetzt und damit die hübsche Fassade symbolisiert, hinter der Frauen immer wieder ihre Wut und Trauer verbergen müssen. Wie es in erster Linie Schauspieler aus dem Comedy-Genre sind, die die Männerrollen übernehmen, und das dem Film eine weitere bittere Note verleiht. Wie er ein Fenster öffnet zu einer Geschichte, die männliche Filmemacher nie so erzählen könnten.
Doch eigentlich will ich gar nicht so viel erzählen. Während zahlreiche Menschen einen oberflächlichen Werbefilm für Plastikpuppen als das feministische Manifest unserer Zeit abfeiern, möchte ich nur sagen: Schaut „Promising Young Woman“ und seht zu, wie künstlerisch anspruchsvoll Emerald Fennell weiblichen Lebensrealitäten und Emotionen einen angemessenen Raum zu geben vermag.

Natürlich blond – Legally Blonde (2001)
von Robert Luketic
US / 96 min / FSK 0
Elle Woods liebt Mode und Beauty, ist die populäre Präsidentin einer Studentinnen-Verbindung, hat einen Abschluss in Fashion Merchandising und beschließt nur deshalb, in Harvard Jura zu studieren, um dort das Herz ihres Exfreundes zurückzuerobern. Wenn man nun weiß, dass das die Ausgangslage für diese Komödie aus den frühen 2000ern darstellt, fragt sich bestimmt der ein oder die andere, was genau der Film in dieser Liste verloren hat; vielleicht sogar jene, die ihn bereits kennen. Doch „Legally Blonde“ ist ein ganz besonderer Film, denn er macht etwas, das ich so davor und danach nicht mehr in dieser Form gesehen habe: Er nimmt Elle als Hauptfigur ernst. Diese hyperfeminine junge blonde Frau, die der ganzen Welt immer zuerst ein Lächeln schenkt, wäre in jedem anderen Film zum Dummchen deklariert worden, das im Laufe der Handlung hart seine Lektionen erlernt und als Konsequenz ihre positive Art herunterdimmt und die pinken Kleider gegen eine weitestgehend seriöse Garderobe austauscht. „Legally Blonde“ tut das nicht. Elles Femininität und ihre Offenheit werden nicht als Schwächen behandelt, der Film zwingt sie nicht, „erwachsen zu werden“ und all das hinter sich zu lassen. Sicher, sie muss während der Geschichte wachsen und lernen, doch das Gleiche gilt für ihr Umfeld, das sie nur allzu oft nicht ernst nimmt – eben wegen ihres Aussehens und ihrer Interessen. „Legally Blonde“ hält dem Publikum unterhaltsam, aber sehr nachdrücklich den Spiegel vor, was die internalisierte Misogynie angeht, und dafür weiß ich diese Komödie sehr zu schätzen. Und für die Figur des Emmett, einer wandelnden Green Flag sozusagen, aber dennoch lebensnah statt ein mit Klischees überladenes, cutes Love Interest, durch welches er in jedem anderen Film ersetzt worden wäre. Was genau ich damit meine – seht am besten selbst!

She Said (2022)
von Maria Schrader
US / 129 min / FSK 12
Menschen ohne echtes Interesse für die Filmbranche werden wohl nie verstehen, welch große Rolle Harvey Weinstein in Hollywood spielte. Wenige haben in den letzten Jahrzehnten einen so prägenden Stempel im US-amerikanischen Kino hinterlassen wie er. Umso beeindruckender ist das, was am 5. Oktober 2017 geschah: An jenem Tag veröffentlichte die New York Times Jodi Kantors und Megan Twoheys Recherchen zu der sexuellen Gewalt, die sich wie ein roter Faden um Weinsteins Karriereweg rankte. Belästigung, Nötigung, Vergewaltigung – alles im Schutze eines gigantischen Machtgefälles, ekelhafter Versprechungen, eines teuren Anwaltsteams und quasi einer gesamten Branche als Mitwisser:innen. Nach dem Artikel traten noch einmal 82 Frauen ins Licht der Öffentlichkeit, die über ihre gewaltvollen Erfahrungen mit Weinstein berichteten. Und mit ihnen unzählige weitere Opfer sexueller Gewalt – die #Metoo-Bewegung ward geboren.
Doch wie kam es zu dem Artikel? „She Said“ zeigt den langen und steinigen Weg von Kantors und Twoheys Recherchen, die unzähligen Mails und Telefonate, die Drohungen und die Unmengen an Vertrauen, die sie von den eingeschüchterten Frauen gewinnen mussten. Es ist ein unaufgeregter Film, der genau dadurch seine Wucht entfaltet. Denn Regisseurin Maria Schrader hat verstanden, dass die Gewalt selbst – gerade die sexuelle – nicht gezeigt werden muss, um ihren Horror greifbar zu machen. Die wahre Grausamkeit der Tat wohnt dem Gefühl der Ohnmacht inne. Dieser gibt der Film ihren Raum und damit den Überlebenden sexueller Gewalt eine echte Stimme. Gleichzeitig zeigt er einmal mehr, welche Bedeutung echter Journalismus im Kampf gegen missbräuchliche Machtstrukturen hat.
Text: Ronja Hähnlein
Illustrationen: Konrad Dieterich
