Alle Augen sind auf die Bühne gerichtet, die Stimmung ist aufgeheizt. Steps, Drehungen, Handstände und akrobatische Meisterleistungen — das ist Breakdance. Am Samstag, den 10. Juni 2023, findet das Breakdance-Festival “Breathe In Break Out” (BiBo) im Steintor Varieté statt. Zwei Performer:innen geben hier bereits einen kurzen Einblick in das Event.
Aus den Straßen der südlichen Bronx nach Halle. Die Ursprünge des Breakdances, auch “Breaking” genannt, liegen in der entstehenden Hip Hop-Kultur der 1970er Jahre. Nach Freiheits- und Gleichheitsbestrebungen des Civil Rights-Movements der 1960er Jahre, wandte sich die politische Öffentlichkeit zunehmend wieder von der Schwarzen Community ab. Wirtschaftliche Stagnation, Segregation und Rassismus prägten das Leben der Menschen. In vornehmlich Schwarzen Vierteln wie der Bronx und Harlem in New York, herrschten Massenarbeitslosigkeit, Armut und eine zunehmende Gang- und Polizeigewalt. In diesem Klima der Perspektivlosigkeit entstand die Hip Hop-Kultur als Gegenbewegung und Outlet für Selbstentfaltung und Freiheitsträume. Auf sogenannten “Block Parties” trafen sich die Menschen aus den Vierteln und entwickelten eine ganz neue Kultur, bestehend aus Rap, DJing, Graffiti Art – und eben Breaking.
Wie heute zu sehen ist, blieb die Tanzform nicht in New York, sondern expandierte in die ganze Welt — bereits seit den 80ern existiert sie in Halle. Am Samstag, den 10. Juni 2023 veranstaltet die Initiative “Breathe In Break Out” (BiBo) ein Breaking Festival im Steintor Varieté. Über 100 Breakdancer:innen aus der ganzen Welt kommen an diesem Tag zusammen, um das Tanzen zu feiern und sich gegenseitig zu batteln. Für fünf Euro erwartet das Publikum eine spektakuläre Show und Graffiti-Workshops.
Hip Hop-Kultur ist facettenreich. Das zeigt sich auch im Line- Up des BiBo. Mashka ist 17 Jahre alt und kommt aus der Ukraine. Saman, 37, forschte als promovierter Soziologe viele Jahre über die Bildungsprozesse im Hip Hop. Beide Breaker:innen geben einen kurzen Einblick in ihre Hingabe zum Breaken, die Hip Hop-Kultur und den BiBo.
Was ist Hip Hop für euch?
Mashka: “Hip Hop ist ein eigener Lebensstil. Kleidung, Musik und Tanz kommen zusammen und bilden etwas ganz Besonderes.”
Saman: “Die Hip Hop-Kultur ist für mich eine widerständige Kultur — so ein bisschen wie ein wunderschön blühender Kaktus in der Wüste. Entstanden als eine Schwarze Kultur in einem der ärmsten Ghettos, das durch Rassismus, Armut und Polizeigewalt geprägt war. Wenn die Gesellschaft sagt, ihr seid niemand, dann zeigen wir euch, dass wir lauter, größer, bunter und kräftiger sind, als ihr das überhaupt annehmen könnt. Du zeigst ihr also auf eine funky Weise das Gegenteil. So wie eine Art Superheld:in. Man denkt sich Alter Egos aus, entwickelt einen eigenen Style, der wie eine Superkraft funktioniert, baut Communitys auf und erschließt sich gemeinsam Räume.”
Was bedeutet Breaking für euch?
Mashka: “Breaking ist bereits ein Teil von mir. Wenn ich tanze, empfinde ich große Freude und Freiheit, bin aufgeladen mit Energie und Adrenalin. Man fühlt sich wie in einem Rausch und bekommt Inspiration von den Reaktionen der Menschen. Mein Breaking Coach Maxim Kalinin hat mich zu Beginn meiner Karriere komplett und unwiderruflich für die Hip Hop-Kultur begeistert. Er brachte mir bei, erst zu fühlen und dann zu tanzen.”
Saman: “Es ist wie eine Superheld:innen-Ausbildungsschule. Menschen lernen ihren eigenen Stil zu entwickeln und dies rhythmisch und therapeutisch auf den Takt zu packen. In dem Kreis, dem Cypher, verbinden sich die Menschen über die gemeinsame Praxis. Ich tanze seit mehr als 25 Jahren und habe im Breaking immer, egal wo ich war, Anschluss gefunden. Man connected einfach krass in einem Raum, in dem man keine nationalen Identitäten braucht. Neben dem Battle-Aspekt geht es im Breaking also auch um coole solidarische Verbindungen.”
Erzählt bitte etwas über euer Leben. Wo kommt ihr her, was ist eure Geschichte?
Mashka: “Ich habe mit elf Jahren angefangen zu tanzen und gleich verschiedene Tanzstile ausprobiert, wie House Dance, Waking oder Contemporary. Ich merkte schnell, dass dies ein wichtiger Teil meines Lebens sein wird. Es fühlt sich besonders an, wenn ich meine Tanzstile, Fähigkeiten und Kenntnisse mische und experimentieren kann. Ich liebe die Bühne und bin deshalb oft auf Wettbewerben. Man weiß nie, was einen erwartet, ist immer ein bisschen unter Adrenalin und tanzt nach Gefühl mit ganzem Herzen. Ich habe bereits viele Wettbewerbe gewonnen und bin Teil des olympischen Teams der Ukraine. Natürlich hat der Krieg in meinem Land, in meiner Heimat, das Leben aller Ukrainer auf seine Weise verändert. Aber ich lebe weiter, tanze weiter und vertrete mein Land mit Stolz auf der internationalen Tanzbühne. Ich bin sehr dankbar für die große Unterstützung durch unser Volk. Außerdem entwickle ich mich weiter und wachse über mich hinaus, um neue Horizonte in der Tanzwelt zu entdecken.”
Saman: “Mein Vater war Kurde aus dem Irak, also ein Volk ohne eigenen Staat. Meine Mama ist Deutsche, demnach konnte ich mich nie richtig mit einer bestimmten Nationalität identifizieren. Breaken war so ein bisschen eine “Heimat” für mich.”
Was verbindet ihr mit dem Breathe In Break Out?
Mashka: “Drei Worte: Kraft, Stärke, Inspiration.”
Saman: “Das BiBo schafft es immer, mit sehr coolen Bildungsinitiativen einen ganz anderen Spirit in die Kultur einzubringen. Sie bilden damit eine Art Gegengewicht zu den großen Competitions wie Olympia. Für Samstag erwarte ich bombastische Battles, richtig crazy Party Cypher, sehr geile Bongo-Sessions aus West-Afrika und Funk, Spaß und Party für alle, die zum Zuschauen und Mitmachen vorbeikommen.”
Auf einen Blick: Infos zum Event
Was? Breakdance Festival
Wann? Samstag, 10. Juni 2023
Wo? Main Event im Steintor Varieté Halle Saale, Aftershow Party im Charles Bronson Halle Saale
Uhrzeit: 13:00 Preselection, 16:00 Battles, 22:00 Aftershow
Eintritt: 5€, Familien freiWas kann man erwarten?
- Über 100 Breakdancer:innen aus verschiedenen Ländern
- Spektakuläre Moves, individuelle Styles, akrobatische Höchstleistungen
- Wettkampf zwischen Profis und der neuen Generation von Breakdancer:innen
- Info-Stände und einen kostenlosen Graffiti-Workshop über den ganzen TagVeranstalter: Breathe In Break Out — ein freiwilliges Team mit großer Leidenschaft
Text: Merle Decker, Alina Jummrich, Emilie Gelhardt
Fotos: Breath In Break Out