Von Müdigkeit und Atembeschwerden bis hin zu Angstzuständen, Schwindel und völliger Erschöpfung — Burnout hat viele Symptome, die von den meisten Betroffenen erst zu spät wahrgenommen werden. Doch was lange Zeit als Managerkrankheit bekannt war, trifft immer häufiger auch Student:innen.
Anni ist 26 Jahre alt und studiert. Nebenbei arbeitet sie als Werkstudentin und engagiert sich ehrenamtlich in der Altenpflege. An den Wochenenden trifft sie sich mit Freund:innen oder der Familie und versucht dabei auch noch Zeit für ihr Hobby zu finden, denn das Zeichnen kommt doch immer wieder zu kurz, meint sie.
Angehörige, Professor:innen, sowie Vorgesetzte würden Anni als Musterbeispiel eines Workaholics beschreiben. Ihre beste Freundin gab ihr den Rat, sich Zeit für sich selbst zu nehmen und auf sich zu achten, aber das kommt für Anni nicht infrage: „Ich bin eben eine Perfektionistin und war das schon immer“. Trotzdem erzählt Anni, sie fühle sich aufgrund ihres Alltags ausgelaugt, gereizt, ängstlich und käme so morgens kaum noch aus dem Bett.
Anfang des Jahres wurde ihr schlussendlich ein „Burnout“ diagnostiziert. Ein Begriff, mit dem sie sich vorher noch nie auseinandergesetzt hatte, den man aber aktuell in den Arztpraxen immer öfter zu hören bekommt.
Ansätze der Begriffserklärung
Burnout (im Deutschen: Ausbrennen) ist ein Syndrom. Das bedeutet, es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen unspezifischen Symptomen. Die Erstbeschreibung des Syndroms erfolgte in den 1974 durch den New Yorker Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, dem auffiel, dass besonders Personen aus sozial engagierten Bereichen, wie der Pflege, zunehmend an Erschöpfungssymptomen litten.
Die meisten Betroffenen schildern schon bei den kleinsten Aufgaben Überforderungszustände, sowie einen Rückzug aus dem sozialen Umfeld bis hin zur völligen Isolation. Lange Zeit war Burnout als Managerkrankheit bekannt, doch immer häufiger sind auch andere Berufsgruppen betroffen1, sowie Personen, außerhalb der Vollzeitbeschäftigung, so zeigt eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK aus dem Jahr 2009.
Risikofaktor Studium
Tatsächlich zeigt die Studie „Gesundheit Studierender in Deutschland“, bei der 6.198 Studierende 2017 über ihre Gesundheit befragt wurden, dass jeder vierte Studierende über ein hohes Stresserleben (25,3%) oder Erschöpfung im Alltag (24,4%) klagt. Ernstzunehmende Symptome, die sich bei längerer Beständigkeit zu einem Burnout entwickeln können.
Doch wie kommt es, dass Studierende derart häufig betroffen sind? Ein Wort: Leistungsdruck. Nicht nur Studierende mit hohen Ansprüchen und Hang zum Perfektionismus können ein Burnout erleiden, sondern auch die, die einen hohen Mental Load mit sich tragen.
Diplom Psychologin Anja Beck arbeitet mit Student:innen zusammen und versucht solchen Entwicklungen mit verschiedenen Workshops und Vorträgen zur mentalen Gesundheit und Organisation im Studium entgegenzuwirken. „Bei den Studierenden kommt einiges zusammen – Zukunftsängste, dicht getaktete Prüfungen, (…) finanzielle Engpässe, die Vereinbarkeit von Studium, Nebenjob und Freizeit“, erklärt Beck.
Das Gefährliche dabei sei, dass Burnout sich meist schleichend entwickle und oft viel zu spät erkannt werde. Betroffene bemerken erst nach einiger Zeit, wie schlecht es ihnen wirklich geht. Erste Anzeichen wie Kopfschmerzen oder anhaltende Müdigkeit werden so zumeist hingenommen, ohne sich weitere Gedanken zu machen.
Anni teilt diese Erfahrungen mit vielen Betroffenen und gibt zu, ihre Symptome erst nach einigen Semestern in dieser Spirale erkannt und aktiv wahrgenommen zu haben. Ihre einstig erhöhte Leistungsbereitschaft fiel schlagartig ab und entwickelte sich zu Erschöpfung, Magenschmerzen und Schlafstörungen. “Ich dachte immer, es liegt an mir. Jeder hat Stress, jeder kann mal nicht einschlafen oder fühlt sich überfordert von der Arbeit”, sagt sie über sich selbst. “Der auslösende Moment für mich war, als ich auf Arbeit in Tränen ausgebrochen bin. Ich befand mich gerade in einer der stressigsten Phasen im Studium, hatte noch zwei unangefangene Hausarbeiten und eine Prüfung vor mir, aber ich wusste, dass ich im Job, sowie im Altenheim unentbehrlich bin.”
Schleichende Entwicklung
Dabei handle es sich, so Beck, bei der Einsicht um den ersten Schritt. Es sei wichtig, seine eigene Überlastung überhaupt selbst zu erkennen, um eigene Belastungsgrenzen festlegen zu können. Unbehandelt mündet die dauerhafte Ausschüttung von Stresshormonen im Körper nicht selten in psychischen Erkrankungen wie Depression, Suchterkrankungen oder Angststörungen.
Die anschließende Behandlung eines Burnouts fällt dahingegen etwas schwieriger aus. Die Techniker Krankenkasse beschreibt den Forschungsstand zu einem Burnout-Syndrom als noch nicht ausgereift genug und “nicht zufriedenstellend”, weswegen es “noch keine einheitlichen Behandlungsstandards” gibt.
Bei ersten Anzeichen von Erschöpfungssymptomen sei es hilfreich, den Alltag umzustrukturieren. Dabei wäre vor allem eine realistischere Zeitplanung wichtig, zum Beispiel durch das Einplanen von Zeitpuffern oder das Unterteilen von Aufgaben in kleinere Einheiten. Anja Beck betont außerdem die Relevanz einer persönlichen “Psychohygiene” wie beispielsweise ausreichend Schlaf, ausgewogene Ernährung und Bewegung.
Bei Verdacht auf Burnout, rät sie dennoch zur Behandlung durch einen Hausarzt, der weitere Schritte in Form einer ambulanten oder stationären Therapie in die Wege leiten kann. Seit einigen Monaten besucht Anni wöchentlich eine ambulante Therapiestunde in der sie lernt ihr Leben besser zu gestalten: “Man lernt sich selbst noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen, wenn man sich aktiv mit seiner mentalen Gesundheit auseinandersetzt und versteht, dass man nicht immer überall hundert Prozent geben muss, um erfolgreich zu sein”.
Solltest du beim Lesen gemerkt haben, dass es dir ähnlich geht wie Anni oder du andere (Erschöpfungs-)Symptome hast, die seit mehreren Wochen oder sogar Monaten anhalten, ist es wichtig, dass du diese Symptome ernst nimmst, um Schlimmeres zu verhindern und aktiv gegenzusteuern.
Wenn ein fürsorgliches Gespräch mit deinen Vertrauten dir nicht mehr ausreicht und du nicht weißt, was du alleine tun kannst, sodass es dir schnell besser geht, ist es in Ordnung, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Hier sind einige Anlaufstellen in Halle aufgelistet, bei denen du dich unverbindlich über Hilfsangebote informieren kannst:
- Psychosozialer Beratungsdienst des Studentenwerks https://www.studentenwerk-halle.de/beratung-soziales/psychosoziale-beratung/beratungsangebote#c267
- Hochschulambulanz für Psychotherapie https://www.psych.unihalle.de/abteilungen/hochschulambulanz/
- IPP Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie Halle https://www.ipp-halle.de/patienteninformation/
Text und Illustrationen: Marlene Nötzold