Weltweit sind 24 Prozent der aus­ge­sto­ße­nen Treibhausgase auf die Landwirtschaft zurück­zu­füh­ren. Um eine Erhitzungsspirale der Erde zu ver­hin­dern, dür­fen wir nicht mehr Emissionen aus­sto­ßen, als wir kom­pen­sie­ren kön­nen. Daraus folgt: Die Landwirtschaft muss sich ändern, wir müs­sen uns ändern, die Mensa muss sich ändern. – Ein Kommentar.

Für unse­ren öko­lo­gi­schen Fußabdruck spielt Fleisch eine erheb­li­che Rolle. Etwa 60 Prozent der land­wirt­schaft­li­chen Treibhausgasemissionen und drei Viertel der Anbauflächen sind auf die Produktion von Fleisch zurückzuführen.

Zurzeit brennt wie­der der Amazonasregenwald auf­grund von über­durch­schnitt­li­cher Trockenheit und zuge­nom­me­nen Brandrodungen unter der bra­si­lia­ni­schen Präsidentschaft des rechts­kon­ser­va­tiv-neo­li­be­ra­len Jair Bolsonaro. Hier wird das Problem greif­bar: Etwa 20 Prozent des Regenwalds sind schon ver­schwun­den. Tierweiden und Sojaproduktion sind die gro­ßen Treiber. Aktuelle Modellierungen legen nahe, dass Kipppunkte bei 20 bis 25 Prozent (!) Entwaldung erreicht wer­den könn­ten, die zu Wüsten- und Steppenbildung füh­ren, weil sich der Regenwald nicht mehr selbst erhal­ten kann. Die Schäden wären ir­-
rever­si­bel, das frei­ge­setz­te CO₂ ein wei­te­rer Treiber des Klimawandels.

Die Treibhausgasemissionen stel­len uns vor mas­si­ve Herausforderungen. Der Klimawandel führt zu regel­mä­ßi­ge­ren und stär­ke­ren Extremwetterereignissen wie Dürren und Überschwemmungen. Um kei­nen Dominoeffekt kli­ma­ti­scher Kipppunkte wie das Schmelzen des Grönlandeisschilds oder die Methanfreisetzung aus den sibi­ri­schen Permafrostböden zu ris­kie­ren, die den Klimawandel wei­ter befeu­ern wür­den, exis­tiert ein begrenz­tes Budget an Treibhausgasen, das noch aus­ge­sto­ßen wer­den kann. Dieses ist mit aktu­el­lem Kurs in zehn Jahren auf­ge­braucht. Diese Tatsachen müs­sen also die Grundlage sein, auf der man einen Diskurs auf­baut – das Klima ver­han­delt nicht.

Grafik: Hannah Ritchie, Max Roser: OurWorldInData.org/land-use (CC BY SA);
über­setzt durch Laurin Weger
Kosten und Preis

Vor allem Fleisch schnei­det in Sachen Nachhaltigkeit schlecht ab. Das Amazonassoja zum Beispiel ist in Deutschland ein belieb­tes Futtermittel. Auch der gro­ße Wasserverbrauch und der bedenk­li­che Einsatz von Antibiotika stel­len uns vor enor­me Probleme – von schlech­ten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie ganz zu schwei­gen. Die unbe­zahl­ba­ren Schäden, die so ent­ste­hen, spie­geln sich aller­dings nicht im Preis der Produkte am Ende der Lieferkette wider. So ist es oft güns­ti­ger, die Packung Schinken zu kau­fen als das vega­ne Alternativprodukt. Ein Anreiz also, sich öko­lo­gisch gese­hen falsch zu verhalten.

Darüber hin­aus emp­fiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung 300 bis 600 g Fleisch pro Woche. Der durch­schnitt­li­che Fleischkonsum pro Woche liegt aller­dings bei ca. 1,1 kg, wei­te­re 0,5 kg wer­den pro Woche weg­ge­wor­fen. Dabei ist jede:r zwei­te Deutsche übergewichtig.

Was die Mensa tut

Eine Umstrukturierung des Mensabetriebs hin zu einer nach­hal­ti­gen Bewirtschaftung hat bereits in den letz­ten Jahren begon­nen. Die tech­ni­sche Ausstattung der Mensen liegt auf sehr hohem Niveau: Energieeffiziente Kühl- und Heiztechnik, spar­sa­me Geschirrspülstrecken mit Wärmerückgewinnung, gute Gebäudeisolierung, Regenwassernutzung und vie­les mehr.

Die Speiseangebote der Mensen haben sich in den letz­ten Jahren eben­falls ver­än­dert. Lieferketten wer­den auch unter Fragen der Nachhaltigkeit betrach­tet, regio­na­le und sai­son­ty­pi­sche Lebensmittel bevor­zugt. Die Müllerzeugung wird – auch aus Kostengründen – mini­miert: Nicht aus­ge­ge­be­ne Speisen wer­den am Folgetag wiederverwendet.


Nachfrage

Alle zwei Jahre erfragt das Studentenwerk Halle Zufriedenheit und Nachfrage der Studierenden in der Hochschulgastronomie, das letz­te Mal 2018. Dabei wur­de ein Anteil von 21 Prozent der Studierendenschaft ermit­telt, der sich vegan oder vege­ta­risch ernährt. Dazu kom­men Menschen, die gele­gent­lich in der Mensa vegan oder vege­ta­risch essen. An den ein­zel­nen Mensen ist das Interesse an fleisch­lo­sen Mahlzeiten aber durch­aus unterschiedlich.

Die Nachfrage bestimmt, wie viel fleisch­lo­ses Essen die ein­zel­nen Mensen anbie­ten.
Foto: Paula Götze

Die Mensen tra­gen die­ser Nachfrage Rechnung, indem sie es sich zum Ziel gesetzt haben, täg­lich in jeder Mensa min­des­tens ein vege­ta­ri­sches Gericht anzu­bie­ten. Dieses Angebot wird je nach Standort noch erwei­tert: So bie­ten Harz- und Neuwerk­mensa täg­lich ein vega­nes Gericht an, zukünf­tig soll die­ses Angebot in der Harzmensa auf zwei auf­ge­stockt wer­den. An der Burg, in den Franckeschen Stiftungen und am Heidecampus sind es bis­lang pro Woche nur drei vega­ne Gerichte. Damit stel­le das Studentenwerk bereits ein Überangebot bereit, so des­sen Pressesprecher Thomas Faust. In den Mensen im Umland – wo die Nachfrage gerin­ger ist – ste­hen bis­her noch nicht so vie­le fleisch­lo­se Gerichte auf dem Speiseplan. Seit 2020 wird kein zer­ti­fi­zier­tes Bio-Essen mehr ange­bo­ten. Grund dafür war die seit der Einführung im Jahr 2003 immer wei­ter fal­len­de Nachfrage.

Da ein Großteil der auf­kom­men­den Kosten durch die Hochschulgastronomie selbst erwirt­schaf­tet wer­den muss, habe das Mensaangebot hier oft einen sehr nüch­ter­nen und wirt­schaft­li­chen Hintergrund. „Dass wir das gut machen“, so Thomas Faust, „bele­gen die ste­tig stei­gen­den Umsatzzahlen eben­so wie die guten Zufriedenheitswerte.“

Das Angebot in den Mensen wird also größ­ten­teils durch die Nachfrage der Studierenden bestimmt. Lieblingsgerichte wie Nuggets, Currywurst und Hamburger ste­hen weit oben auf der Beliebtheitsskala. Liegt es also an den stu­den­ti­schen Essensvorlieben, dass die Mensen nicht nach­hal­ti­ger wirt­schaf­ten können?

Verantwortung

Die Verantwortung wird zwi­schen Individuen, die an Nachhaltigkeit, aber auch an güns­ti­gem und gewohn­tem, lecke­rem und manch­mal auch gesun­dem Essen inter­es­siert sind, und Institutionen, die auf Preise und Nachfrage reagie­ren, hin- und her­ge­scho­ben. Um die Nachfrage zu steu­ern, müss­ten die güns­ti­gen Preise des Fleischs den Folgekosten ange­passt wer­den, damit kli­ma­freund­li­che Anreize geschaf­fen wer­den. Um zu einer Lösung zu fin­den, ist Verantwortung von allen Seiten gefragt.

Aufgrund der Quasi-Monopolstellung der Mensen haben die­se wohl bei einer gut kom­mu­ni­zier­ten und schritt­wei­sen Umstellung auf nach­hal­ti­ge­re Kost weni­ger zu fürch­ten, dass ein bedeu­ten­der Teil der Studierenden jeden Tag sel­ber kocht oder zum Dönerladen um die Ecke geht. Es ist wirk­lich schwie­rig, qua­li­ta­tiv gleich­wer­ti­ges, abwechs­lungs­rei­ches und gesun­des Essen zu den wirk­lich güns­ti­gen Preisen zu bekom­men. Essen ist zum gro­ßen Teil Gewohnheitssache, geprägt durch Familie und Umfeld. Gerade die Studienzeit könn­te hier einen trans­for­ma­ti­ven Prozess einleiten.

Das Gute an vega­nem Essen: Neben der deut­lich bes­se­ren Umweltbilanz ist es auch weni­ger ein­schrän­kend. Vegetarier:innen, Nicht-Vegetarier:innen und eini­ge Allergiker:innen kön­nen sich alle hier­von ernäh­ren. Letztlich kommt es auch nicht dar­auf an, ob in einem Essen Fleisch ist, son­dern ob es schmeckt und gesund ist.

Die Mensen der Anderen
Um Eure Meinung zum Mensaangebot mit­zu­tei­len, müsst Ihr nicht auf die nächs­te Umfrage war­ten.
Foto: Paula Götze

Mit einem deutsch­land­wei­ten Blick auf ande­re Mensen wird deut­lich, wel­che Perspektiven sich in einer nach­hal­ti­gen Umgestaltung bie­ten. Seit 2010 betreibt das Studierendenwerk Berlin bereits eine Grüne Mensa auf dem Campus der FU Berlin, in der aus­schließ­lich vega­ne und vege­ta­ri­sche Gerichte ange­bo­ten wer­den. Das Studierendenwerk Berlin selbst schreibt: „Viele Gäste geben an, dass sie sich erst hier­durch lang­sam an die vege­ta­ri­sche Küche her­an­ge­tas­tet haben und es sich ganz anders vor­ge­stellt hat­ten; vie­le hat­ten eine Vorstellung von lang­wei­li­gem Essen, die aber sehr gut zer­streut wer­den konnte.“

Die Hochschule für nach­hal­ti­ge Entwicklung in Eberswalde (HNEE) hat über einen Runden Tisch gemein­sam mit ver­schie­de­nen Akteur:innen Strukturpläne zur Umgestaltung ihrer Mensen ent­wor­fen und rea­li­siert. Die Mensen der HNEE begrei­fen sich auch als Aushängeschild der Hochschule und sind Ausbildungs- und Forschungsstätte für nach­hal­ti­ge Entwicklung. Eine AG Nachhaltigkeitsmensa setzt hier­bei vor allem auf Kommunikation: Die Vernetzung von Studierenden, Studierendenwerk und Hochschulmitarbeitenden sei ein wich­ti­ger Schlüssel für eine Transformation, die von allen Seiten mit­ge­tra­gen wird und den Weg gemein­sam gestal­ten lässt. Vielleicht auch ein Ansatz, über den wir in Halle noch stär­ker nach­den­ken können?

Wenn wir, die Mensen, die Studierenden, das Fleisch im Essen hal­bie­ren wür­den, wür­den wir nicht nur gesün­der leben, son­dern hät­ten auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet.

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