Ein Gespräch mit Sabine Wöller, Koordinatorin der Präventionsstelle Diskriminierung und sexu­el­le Belästigung. 

Foto: Irene Schulz

Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, Sozial- und Konfliktberatung, Gleichstellungsbüro – die Uni Halle scheint gut aus­ge­stat­tet mit Anlaufstellen, wenn es um Diskriminierung, sexu­el­le Belästigung und ande­re Probleme sol­cher Natur geht. Gerade die­se Vielfalt kann aber auch ver­wir­ren. Durchblick will die 2018 ins Leben geru­fe­ne Präventionsstelle Diskriminierung und sexu­el­le Belästigung schaffen.

Vielleicht könn­test du ein­lei­tend ein paar Worte zu dir sagen, zum Beispiel wer du bist und wie du zu die­ser Stelle gekom­men bist.
Ich bin Sabine Wöller, 31 Jahre alt, und habe hier an der Uni stu­diert: mei­nen Bachelor in Medien- und Kommunikationswissenschaften/Deutsche Sprache und Literatur und dann den Master Aufklärung – Religion – Wissen. Neben dem Studium habe ich mich im Bereich Antidiskriminierung enga­giert. Ich war eini­ge Jahre beim AK que(e)r_einsteigen, bin beim Q [kju_point] aktiv – das ist eine queer­fe­mi­nis­ti­sche Veranstaltungswoche, die ein­mal jähr­lich seit 2013 in Halle statt­fin­det – und bin bei der »Mobilen Beratung für Opfer rech­ter Gewalt« im Social-Media-Bereich tätig. Das Thema beglei­tet mich schon eine gan­ze Weile – und da habe ich mich sehr über die Stellenausschreibung gefreut und dar­über, dass es dann gepasst hat.

Wie kam es denn dazu, dass neben den gan­zen wei­te­ren Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierung oder Belästigung noch die Präventionsstelle ins Leben geru­fen wur­de?
Die Idee ist, nicht eine wei­te­re Instanz zu schaf­fen, die noch mehr ver­wirrt, son­dern eine, die von oben drauf­guckt. Ich bin Projektkoordinatorin, und mei­ne Aufgabe ist, dar­auf ein­zu­wir­ken, dass die Richtlinie, die wir seit 2015 zum Diskriminierungsschutz und Schutz vor Belästigung haben, gut umge­setzt wird. Teilweise ist es ja so, wenn man ganz vie­le ver­schie­de­ne Stellen hat, dass die am Ende ver­ges­sen, gut mit­ein­an­der zu kom­mu­ni­zie­ren. Ich bin die, die von oben schaut und fragt: Können wir das noch bes­ser gestal­ten – sowohl für die Menschen, die in den Beratungsstellen sit­zen als auch für die Ratsuchenden, die kom­men und nicht von A nach B nach C geschickt wer­den sollten?

Foto: Irene Schulz

Im Oktober 2015 ist an der Uni Halle die Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung, sexu­el­ler Belästigung und Gewalt in Kraft getre­ten, die du jetzt gera­de ange­spro­chen hast. Wird die­se dei­ner Meinung nach gewis­sen­haft umge­setzt?
Ich glau­be, das Problem an einer Uni ist gene­rell, dass es vie­le Stellen gibt und die Personen zum Teil oft wech­seln. 2015 war die Richtlinie noch recht bekannt, und dann ist vie­les ein biss­chen in Vergessenheit gera­ten. Daher ist es auch mei­ne Aufgabe, dafür zu sor­gen, dass alle wis­sen, dass es die­se Richtlinie gibt, und dass das Thema prä­sent bleibt.

Wer kann mit wel­chen Fragen und Problemen zu dir kom­men?
Man kann mich kon­tak­tie­ren, wenn man sich fragt: »Wo soll ich denn jetzt eigent­lich hin?« Ich kann über die ver­schie­de­nen Handlungsmöglichkeiten infor­mie­ren. Ich freue mich über Vernetzung mit Projekten, die es schon gibt – ich möch­te ger­ne ein Knotenpunkt sein, der die gan­zen bereits bestehen­den Initiativen an zen­tra­ler Stelle sicht­bar macht. Ich bin auch dafür zustän­dig, wenn jemand sagt: »Ich sehe ein Problem, einen Handlungsbedarf; ich fin­de, das funk­tio­niert hier nicht rich­tig; mein Thema passt nir­gend­wo hin« – damit ich über­le­gen kann: Was kann man da machen? Und auch, wenn Leute sich Weiterbildung oder Sensibilisierung wün­schen. Quasi alles, um das System gut am Laufen zu hal­ten, Fehler zu fin­den und zu beheben.

Wie oft wur­dest du bereits kon­tak­tiert?
Konkrete Fälle, in denen Leute auf mich zukom­men, gibt es bis­her eher ver­ein­zelt; das wird aber mehr in den letz­ten Wochen. Öfter höre ich Andeutungen, wenn ich mei­ne Stelle vor­stel­le, und spü­re bei mei­nem Gegenüber eine Unsicherheit: Möchte ich jetzt offi­zi­ell dar­über reden oder nicht? Meine Aufgabe ist dann, dar­auf hin­zu­ar­bei­ten, dass die Person das berech­tig­te Vertrauen haben kann zu sagen: »O. k., ich spre­che das jetzt mal an.« Man muss immer mit einer hohen Dunkelziffer rech­nen. Es geht auch viel um Sensibilisierung, um das Thema ein­fach prä­sent zu set­zen, denn die Uni ist ja nichts ande­res als ein Teil der Gesellschaft, und in der Gesamtgesellschaft pas­siert ganz viel in dem Bereich, und zu vie­le Leute sagen: Ist doch alles normal.

Weißt du, ob es an ande­ren Hochschulen deutsch­land­weit auch schon sol­che Präventionsstellen gibt?
Es ist immer die Frage, wie man es nennt. Gleichstellungsbeauftragte gibt es zum Beispiel an jeder Uni. Die sind unter­schied­lich breit auf­ge­stellt, was die Themenbereiche angeht. An man­chen Unis gibt es auch zusätz­lich Stellen wie mei­ne. Es pas­siert, glau­be ich, sehr viel in den letz­ten Jahren, auch dass gesagt wird: »Wir wol­len nicht nur dis­kri­mi­nie­ren­de Benachteiligung zwi­schen Männern und Frauen the­ma­ti­sie­ren, son­dern auch ande­re Arten von Diskriminierung.« Das Problembewusstsein ist gewachsen.

Foto: Irene Schulz

Können sich auch Personen an dich wen­den, die kei­ne sexua­li­sier­te Diskriminierung erle­ben, son­dern zum Beispiel ras­sis­ti­sche Diskriminierung?
Auf jeden Fall. In der Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung, sexu­el­ler Belästigung und Gewalt sind alle Diskriminierungsmerkmale nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannt – das auch sehr bewusst. Es wer­den sich ver­mut­lich Leute mit Behinderung nicht zuerst an mich
wen­den, son­dern an den Behindertenbeauftragten. Da haben wir bereits sehr gute Strukturen. Bei ras­sis­ti­scher Diskriminierung ist es schon schwie­ri­ger. Wir haben den Ausländerbeauftragten – da muss man aber beden­ken, dass nicht jede*r von Rassismus Betroffene aus­län­disch ist und sich dann nicht ange­spro­chen fühlt. Es fängt immer damit an, erst ein­mal zu zei­gen, dass es Bedarf gibt zu dem Thema, bevor eine Stelle geschaf­fen wird. Ich glau­be, dass hier auch geschaut wer­den muss, wie es an ande­ren Fakultäten aus­sieht. Wo gibt es Probleme? Wenn man dann Probleme fin­det, muss man über­le­gen, wie man die­se lösen kann – im Zweifel auch durch auf­ge­stell­te Stellen.

Sind bereits kon­kret Projekte oder Weiterbildungen zur Antidiskriminierung von dei­ner Seite aus geplant?
Es gab im September eine Weiterbildung für Mitarbeitende, gera­de auch für Mitarbeitende in den Ansprechstellen, um noch ein­mal zu klä­ren: Wie funk­tio­niert Diskriminierungsberatung?
Wie kann ich Betroffenen hel­fen? Wie gehe ich mit Vertraulichkeit um?
Ich war jetzt auch in der juris­ti­schen Fakultät mit wis­sen­schaft­li­chen Mitarbeitenden zu ein paar Austauschgesprächen und Workshops, um für die Themenbereiche Diskriminierung und sexu­el­le Belästigung zu sen­si­bi­li­sie­ren. Das wird natür­lich nicht nur in der juris­ti­schen Fakultät blei­ben – die waren halt die ers­ten, die mich ent­deckt und gesagt haben: »Können Sie was machen? Das wäre schön!« Da wird es noch mehr geben. Das Ziel ist – ich bin ja jetzt min­des­tens drei Jahre da – dass ich über­all mal war. Es gibt im nächs­ten Jahr bestimmt eini­ges, nicht nur für die Mitarbeiter*innen, auch für die Studierenden.
Ansonsten bin ich gera­de haupt­säch­lich dabei, einen neu­en Internetauftritt zu den Themenbereichen Diskriminierungsschutz und Schutz vor sexu­el­ler Belästigung zu kon­zi­pie­ren. Es ken­nen ja alle das Phänomen an der Uniseite – man ver­sucht, bei Google oder einer ande­ren Suchmaschine
irgend­ei­ne Info zu fin­den, und denkt sich: »Ah, ver­dammt, wo lan­de ich hier?!« – und dann sind die Infos manch­mal ver­al­tet. Da schaf­fe ich zen­tral eine Website, auf der zu dem Themenbereich alle Ansprechpartner*innen, alle Projekte, alle Maßnahmen gesam­melt wer­den und auch Infos zu fin­den sind – zum Beispiel: Was ist denn jetzt eigent­lich sexu­el­le Belästigung? Geplant ist, dass die Seite zum Start des Wintersemesters unter der Adresse diskriminierungsschutz.uni-halle.de erreich­bar sein wird.

Foto: Irene Schulz

Ich habe auch den Eindruck, man klickt sich irgend­wie so von Seite zu Seite …

… ins Nirgendwo und denkt im schlimms­ten Fall: »Nee, dann ist es viel­leicht doch nicht so wich­tig« – und das soll ja nicht so sein.

Was muss in dei­nen Augen an der Uni Halle noch getan wer­den, um gegen Diskriminierung vor­zu­ge­hen?
Zum einen müs­sen alle an der Uni wis­sen, dass es Maßnahmen zum Diskriminierungsschutz gibt, denn ich kann sie nur wahr­neh­men, wenn ich davon weiß. Im aller­bes­ten Fall müss­te eine Kultur geschaf­fen wer­den, in der alle über sol­che Themen reden kön­nen. Oft kommt ja so ein Abwehrreflex, wenn das Thema ange­spro­chen wird: »Nee, du bist zu emp­find­lich« oder »Quatsch, ich bin doch kein Rassist oder Sexist oder so.« Wir leben in einer Gesellschaft, die nun mal von dis­kri­mi­nie­ren­den Verhältnissen durch­drun­gen ist – des­we­gen sind auch wir alle durch­drun­gen. Selbst ich kann ja dis­kri­mi­nie­ren, ohne das mit­zu­krie­gen. Ich den­ke, davor ist nie­mand gefeit.
Und wenn man eine Einstellung hat, das zu reflek­tie­ren, kann man dar­über sehr kon­struk­tiv ins Gespräch kom­men und gucken, wie ich mein Verhalten ändern kann und wie wir mit­ein­an­der Strukturen ändern kön­nen. Da muss auch von vie­len Personen erst ein­mal eine Bereitschaft da sein, die man durch Sensibilisierung errei­chen kann, und dann müs­sen alle von den Anlaufstellen wis­sen und zu die­sen kom­men, wenn sie von Diskriminierung oder sexu­el­ler Belästigung betrof­fen sind. Man muss ein­fach auch den Betroffenen das Vertrauen geben, dass sie den Mut haben, zu sagen: »Nee, ich schluck’s jetzt nicht run­ter, son­dern gehe irgend­wo­hin und sage: Das fand ich nicht o. k.« Denn es ist nicht o. k. Und ist hier auch nicht erwünscht.

0 0 vote
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments