Fußball, Basketball, Tennis – das kann doch jeder! Gerade im Uni-Kontext tauchen ab und zu eher unbekannte Sportarten auf, die trotz einer geringeren Reichweite für lustige Nachmittage sorgen. So trifft man im Sommer im Park oft auf Personen, die zum Beispiel Spikeball oder Jugger spielen.Was macht diese Sportarten aus und warum findet man sie so oft im Kontext von Studierenden?
Dass Roundnet, im Volksmund eher Spikeball genannt, die deutschen Parks eroberte, ist noch gar nicht so lange her. Es war vor fünf oder sechs Jahren, erzählt Roundnet-Spieler Jeremias, der in Halle studiert und den Spikeball-Kurs im Unisportzentrum leitet. „In Deutschland ist es schon so, dass es sich hauptsächlich über die Unis verbreitet hat, weil diese Trendsportarten dann auch vorkommen in den Studiengängen. Ich habe es zumindest über Leute von der Sport-Uni in Köln kennengelernt.“ Ob in Köln wirklich der Startpunkt war, wisse er nicht.
Als er darauf angesprochen wird, warum er von Roundnet und nicht Spikeball spricht, holt Jeremias etwas länger aus. „Roundnet und Spikeball sind ein bisschen unterschiedliche Dinge. Roundnet ist die Sportart. Und Spikeball ist eine Marke, die die Netze herstellt. Das ist die einfache Variante. Die schwierigere Variante ist: 1980 hat irgendein Typ in den USA diese Sportart erfunden. Das wurde da auch gespielt, aber die Netze waren aufgrund der damals technischen Möglichkeiten sehr unzuverlässig und sind kaputt gegangen. Und irgendwann, ich glaube 2003, hat sich in den USA irgendjemand gedacht, ‘Hey das habe ich doch als Kind immer gespielt, das ist cool’, hat sich die Markenrechte gesichert und Spikeball gegründet.“ Aufgrund von Konflikten um die Namensrechte habe Spikeball eventuell die Sportart Roundnet ins Leben gerufen. Deswegen trage laut Jeremias auch der Deutsche Dachverband den Namen „Roundnet Germany“, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Zudem solle seiner Meinung nach nicht der ganze Fokus auf einer Firma liegen: „Es gibt so viele andere Marken, die Netze und Bälle herstellen. Und es gibt mittlerweile auch Marken, die deutlich bessere Netze herstellen.“
Für die Leser:innenschaft erklärt Jeremias netterweise die Regeln von Roundnet: „Am Ende hat es sehr viele Ähnlichkeiten mit Beachvolleyball. Man spielt zwei gegen zwei und ich würde es so erklären: statt über’s Netz spielt man ins Netz. Man kann über 360 Grad spielen, das ist ein bisschen das Besondere. Man hat drei Ballkontakte, mit denen muss man versuchen, den Ball aufs Netz zu bekommen, idealerweise so, dass die Gegner:innen das nicht bekommen können. Wenn dann der Ball auf den Boden geht, ist das ein Punkt. Das Spielprinzip ist relativ simpel, weshalb es so einsteiger:innenfreundlich ist und man da ganz gut reinkommen kann.“ Für fortgeschrittene Spieler:innen gäbe es weitere Regeln wie den „Soft Touch“, dass eine Person nach einem erfolgreichen Block den Ball ein zweites Mal spielen kann und die No-Hit-Zone, in der man beim Abschuss nicht stehen darf. „Man spielt bis 15 oder bis 21 [Punkte]. Meistens 15, Hard-Cap 21. Hard-Cap bedeutet: nach 15 muss man wie beim Tischtennis mit zwei Punkten Vorsprung gewinnen. Wenn man bei 20 zu 20 angekommen wäre, dann entscheidet der einundzwanzigste Punkt.“
Viele kennen Roundnet aus dem Park, doch mittlerweile gibt es auch eine Bundesliga mit einer ersten, zweiten und einer Regionalliga. Jeremias spielt mit dem Team „Brick Meadow Nutrias“ (Ziegelwiesen Nutrias) in der zweiten Bundesliga. „Das ist dann auch nicht unverdient, da zu spielen, aber es ist nicht so, dass man sich jahrelang hochgearbeitet hätte. Dafür gibt es das auch erst zu wenig Jahre. Aber es ist schon cool, dass da Strukturen existieren.“ Noch könne man sich in der zweiten Liga als Team eintragen, doch es sei mit der steigenden Popularität der Sportart von einer höheren Konkurrenz auszugehen. Es gäbe laut Jeremias mittlerweile auch sehr begabte jugendliche Spieler:innen.
Der Unisportkurs trainiert im Winter in der Halle, doch Jeremias spielt lieber im Park. „Ich mag es, dass man im Sommer immer schön draußen spielen kann und da eigentlich immer eine gute Zeit hat. Und dass es auch ein sehr athletischer Sport ist, man kann alles Mögliche machen. Wenn man ein bisschen mehr drin ist, springt man die ganze Zeit übers Netz und rollt sich ab. Vor allem ist die Community auch ein großer Aspekt, warum Roundnet für viele Leute eine sehr schöne Sportart ist. Ich hasse Fußball nicht, aber es war immer so: wann immer ich auf einem Fußballplatz jemals stand, gab’s immer einen Typen, der mit seiner toxischen Männlichkeit nicht klarkommt, immer auf der Mittelinie abzieht und alle Leute um grätschen will. Und die Leute gibt es bestimmt im Roundnet auch manchmal, aber ich habe das Gefühl, sie sind deutlich seltener gesät. Ob sich das ändert, wenn der Sport populärer wird, weiß ich nicht. Ist vielleicht auch eine Bubble-Sache.“
Am liebsten trainiert Jeremias im Sommer immer mittwochs auf der Ziegelwiese. „Das ist immer ganz cool, da haben wir ganz viele Netze und jeder der Lust hat, kann vorbeikommen und spielen, auch Leute, die vielleicht gerade den Artikel lesen.“ Zusätzlich gäbe es montags und donnerstags den Unisportkurs und privat trainiere Jeremias im Zweiten-Bundesliga-Kontext.
Der Einstieg in den Sport sei recht unkompliziert und auch vom Equipment her brauche man nicht viel. „Nur ein Netz. Da gibst du vielleicht einmal 100€ aus und dann hat sich das. Wenn ich überlege, was ich geldtechnisch in diese Sportart investiert habe, das ist eigentlich lächerlich. Ich mache das seit zwei Jahren als Hauptsportart dreimal die Woche und für mehr als ein Netz, ein paar Spraydosen zum Linienziehen und den Tunierbeiträgen habe ich nicht viel Geld ausgegeben, das ist schon sehr cool.“
Auf die Frage, warum Roundnet gerade bei Studierenden so beliebt sei, meint Jeremias: „Ich glaube, dass das Studium ein besonderer Zeitraum ist, wo man mit sehr vielen Leuten Zeit verbringen kann und auch viel draußen ist. Gerade im Sommer, wenn man mit Freunden im Park ist, kann man [das Equipment] immer mitnehmen. Und ich glaube, dass das viel des Sports ausmacht. Es gibt’s erst seit Kurzem, deswegen verbreitet es sich erstmal unter den Leuten.“ Der Studierendenkontext sei das Epizentrum von Roundnet, aber mittlerweile werde es auch an Schulen gespielt. „Es findet überall statt.“
Jugger – nichts für schwache Nerven
Für die zweite Sportart Jugger haben wir uns mit den Studenten Nikita und Janosch aus Leipzig getroffen. Janosch berichtet, er hätte die Sportart zuerst bei einer Fridays-For-Future Veranstaltung kennengelernt. Das benötigte Equipment baute er mit Freunden selbst zusammen, wie es beim Jugger üblich ist, und nun kann man die Gruppe im Sommer in den Parks finden.
Seinen Ursprung hat Jugger im australischen Film „Die Jugger – Kampf der besten“, der 1989 erschien. Janosch meint dazu: „Der Film ist schrecklich, aber anscheinend haben das Leute gesehen und sich gedacht, ‘Hey, das könnten wir doch nachbauen’. Ich glaub in München und Berlin waren die ersten, die das gemacht haben.“ Die einzelnen Gruppen entdeckten sich irgendwann gegenseitig und tauschten sich aus und schufen einheitliche Regeln. Seit 1998 gibt es auch Jugger-Meisterschaften, die erste Weltmeisterschaft fand 2014 in Villingen-Schwenningen statt, neben zahlreichen Teams aus ganz Deutschland nahmen Spieler:innen aus Spanien, Irland und Australien teil.
Nikita vergleicht die Spielweise von Jugger mit Rugby, doch statt des Tackelns würde man mit gepolsterten Stöcken, sogenannten „Pompfen“, fechten. „Es geht nicht darum, dass man sich haut, sondern nur möglichst schnell antippt, dadurch kommt ein bisschen Schwung rein.“ Es gibt zwei Teams mit jeweils fünf Spieler:innen, pro Team gehen ein:e Läufer:in und vier Pompfer:innen an den Start. Ihr Ziel ist es, den 30 Zentimeter langen „Jugg” aus der Spielmitte in das „Nest“ des gegnerischen Teams zu befördern. Im Film ist dieser Gegenstand ein Hundeschädel, aus praktischen Gründen verwenden Spieler:innen aber etwas anderes. „Unser Ersatz ist einfach nur ein Stock mit Rohrisolation drumherum und sehr viel Gaffa“, erzählt Nikita. Nur die Läufer:innen dürfen den „Jugg“ bewegen, haben aber keine Pompfen und müssen sich von den anderen verteidigen lassen. Den Spielablauf erklärt Janosch so: „Die ganze Zeit läuft ein Trommelschlag. Im Ursprungsfilm ist es so, dass da jemand Steine gegen einen Gong wirft und ein Spiel genau 100 Steine lang ist.“ Bei Turnieren würde man statt dieser Regelung oft nach Punkten spielen, um zu gewinnen, wären entweder fünf oder sieben Punkte erforderlich.
Die beiden beschreiben auch die verschiedenen Pompfen, die zum Einsatz kommen: „Die Kurzpompfe ist 1.20 Meter lang ungefähr. Und man kann sie entweder als Kombination haben aus Kurzpompfe und Schild oder zwei Kurzpompfen. Das Schild ist ein Kreis mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern. Nach der Kurzpompfe gibt es noch die Langpompfe, die muss man mit beiden Händen greifen, damit Treffer zählen und ist vom Gefühl her wie ein Langschwert aus dem Mittelalter.“ Zudem käme der Q‑Tip, mit einem Griff in der Mitte und Polsterung an beiden Enden und der fast vollständig gepolsterte Stab zum Einsatz. „Und dann gibt es noch die Kette, die ist ein bisschen wie ein Morgenstern, nur dass vorne ein weicher Sportball ist und dann ein drei Meter langer Gurt, der gepolstert ist.“ Wichtig ist zu erwähnen, dass die Sportart im Gegensatz zur Vorlage des Films den Fokus auf Ausdauer und Geschwindigkeit legt und nicht auf Brutalität.
Die beiden erzählen im Interview, Jugger mache ihnen deshalb so viel Spaß, da sie es mit Freunden spielen würden. „Ich mag das chaotische“, meint Janosch. „Dass man den Überblick behalten muss und dann aber trotzdem mit dem Fechten noch ein bisschen Abstand hat, dass es Technik ist und dass man im Moment trotzdem ruhig bleiben muss.“ Nikita ergänzt: „Es ist eine der ersten Sportarten, die ich in die Richtung kennengelernt hab, die einen schönen Teamaspekt für mich haben, wo ich nicht das Gefühl hab, dass wie im Fußball erst mal Ewigkeiten übers Feld gerannt werden muss, bis irgendwas passiert. Wir haben ein relativ machbares Feld, man ist jetzt nicht unendlich aus der Puste, wenn man das macht, aber es ist schon ausdauernd.“ Janosch fügt hinzu: „Dadurch, dass so viel anderes passiert, ist das Rennen eher nebenbei. Einfach nur Rennen ist halt langweilig, aber wenn man das mit Freunden macht und dann noch so ein Ziel hat, dann ist es irgendwie immer lustig.“ Die zwei weisen darauf hin, dass Jugger-Interessierte zumindest ein bisschen Spaß daran haben sollten, durch die Gegend zu laufen. Zudem wären die Pompfen zwar gepolstert, doch man solle okay damit sein, ab und zu gehauen zu werden.
Die Beliebtheit von Jugger bei Studierenden und jungen Erwachsenen erklärt sich Nikita so: „Vielleicht weil es sowas nerdiges ist. Da es keine riesige Sportart ist, die schon in der Gesellschaft eintrainiert ist, ist es halt nichts, wo Eltern ihre fünfjährigen Kinder hinschicken. Man muss erstmal selbst auf eigenen Beinen stehen können und sich in der Welt umschauen, um so einen nischigenSport zu finden.“
Und wer weiß, vielleicht sieht man sich im Sommer statt im Freibad oder der Eisdiele mal beim Juggern oder Roundnet spielen…
Autorin und Fotos: Martha Röckel
Illustration: JuggerParis (CC BY-SA 4.0)
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