Heute sind dort Physiker, Geologen, Informatiker und ihre natur­wis­sen­schaft­li­chen Kollegen zu Hause. Doch der Heide-Campus blickt auf eine beweg­te Geschichte zurück.

Am 14. Oktober 1934 wur­de mit dem Bau einer Nudelfabrik im heu­ti­gen Stadtteil Heide-Süd begon­nen. Dafür wur­de ein Anschlussgleis von der Halle-Hettstedter Eisenbahn bis zur Baustelle ver­legt. So roll­ten täg­lich 40 Waggons mit jeweils 15 Tonnen Baustoff zum Fabrikgelände.

Bereits im Folgejahr stell­te sich her­aus, dass der Fabrikbau nur ein Vorwand war, um die mili­tä­ri­schen Aktivitäten zu ver­schlei­ern. In Wirklichkeit han­del­te es sich um eine Heeres- und Luftwaffennachrichtenschule, wel­che Teil der gehei­men Aufrüstung war. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen des deut­schen Reiches soll­te sie Bestandteil des Aufbaus einer moder­nen Luftwaffe werden.

Foto: Andrea Kühnert

Die Bauzeit der ins­ge­samt 160 Gebäude betrug fast ein gan­zes Jahr. Neben den Schulgebäuden wur­den unter ande­rem Mannschafts- und Offizierswohnhäuser, Werkstätten und Panzerhallen errich­tet. Im Zentrum der Schule befand sich ein Appellplatz mit zwei Wachhäusern. Heute wird er als Parkplatz genutzt. Am 21. November 1935 fand das Richtfest und die Übergabe der Schule an den ers­ten Kommandeur General Ernst Sachs statt. Stationiert waren das Flugabwehrkanonenregiment (kurz: Flakregiment) 33 der zwei­ten Flak-Division und von 1935 bis 1937 die Lehr- und Versuchsabteilung der Luftwaffe. Der Flugplatz Halle-Nietleben am Gimritzer Damm dien­te der mili­tä­ri­schen Nutzung der Luftwaffennachrichtenschule. Heute exis­tiert an des­sen Stelle ein Wohngebiet der nörd­li­chen Neustadt.

Die 104. US-Infanterie-Division „Timber Wolves“ über­nahm im April 1945 die Schule kampf­los und über­gab sie im Sommer an die ach­te Gardearmee der sowje­ti­schen Besatzungstruppen. Die Rote Armee nutz­te die dama­li­ge Schule als Stützpunkt und besetz­te sie mit der 27. moto­ri­sier­ten Garde-Schützendivision.

Geheimakte Atomwaffen

Mitte der 1960er Jahre befand sich im west­li­chen Teil der Liegenschaft eine Bewegliche Raketentechnische Basis. Ihre Zuständigkeit lag in der Lagerung, der Wartung und dem Transport nuklea­rer Gefechtsköpfe. Der Transport zur Basis wur­de durch die Deutsche Reichsbahn durch­ge­führt, das beleg­ten zumin­dest Strahlenmessungen des Ministeriums für Staatssicherheit. Dies wur­de aller­dings nie von sowje­ti­scher Seite zuge­ge­ben. Es han­del­te sich um 30 bis 40 nuklea­re Sprengköpfe, die für die Raketenabteilungen in Thüringen gedacht waren. Eine genaue Zeitangabe des Abtransportes der Nuklearsprengköpfe ist nicht bekannt. Es wird aller­dings davon aus­ge­gan­gen, dass die Kernwaffen mit Eisenbahn-Sondertransporten Ende 1989, spä­tes­tens aber im Jahr 1990 abge­zo­gen wur­den. Der Ort, an dem heu­te stu­diert wird, war dem­nach für 20 Jahre ato­ma­res Waffenlager. Die Lagerung fand in zwei erd­über­deck­ten Bunkern statt, von denen heut­zu­ta­ge einer zuge­schüt­tet ist und der ande­re als Fledermausquartier dient. Die Räume des zwei­ten Bunkers sind grund­sätz­lich betret­bar, aller­dings zum Schutz der Tiere verschlossen.

Foto: Andrea Kühnert

Bis 1993 wur­de vom Stadtrat Halle ein städ­te­bau­li­cher Rahmenplan für die Nutzungsschwerpunkte Wohnen, Arbeit, Forschung und Erholung ent­wi­ckelt. Dazu erwar­ben die Stadt Halle und das Land Sachsen-Anhalt den Standort aus Bundesvermögen. 19 Hektar der Konversionsfläche wur­den zur Nutzung für uni­ver­si­tä­re Zwecke bereit­ge­stellt. Somit schenk­te das Land Sachsen-Anhalt 1994 der Martin-Luther-Universität die ehe­ma­li­ge Luftnachrichtenschule. Der zum Teil sehr schad­stoff­be­las­te­te Standort im Bereich des Kasernengeländes wur­de ab 1995 saniert und ist heu­te Teil des neu­en Wohngebietes Heide-Süd.

Viele der Bauten, so zum Beispiel die Panzerhallen und Werkstätten, exis­tie­ren nicht mehr und wur­den durch Wohnhäuser ersetzt. Die denk­mal­ge­schütz­te Nachrichtenschule wur­de eben­falls saniert und wird heu­te, wie anfangs beschrie­ben, durch natur­wis­sen­schaft­li­che Fachbereiche der MLU genutzt. Der ers­te Fachbereich, der an den Heide-Campus zog, war im Jahr 1997 die Mathematik. Sie nutzt heu­te die dama­li­ge Offizierskaserne als Institut. Seit 2002 befin­det sich im Innenhof des süd­li­chen Teils des Campus, dem Von-Seckendorff-Platz, der Geologische Garten Halle. Er wird von vie­len Studierenden zum Erholen und Lernen auf­ge­sucht. Ab die­sem Jahr wird es neben der Heide-Mensa einen Campus-Garten geben. Von Nudelfabrik über Atomwaffenlager, hin zum Universitätscampus mit eige­nem Garten: Der Heide-Campus blickt auf eine ereig­nis­rei­che und wech­sel­haf­te Geschichte zurück.

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