Der diesjährige Sommer hat sich in die Liste der Extremsommer eingereiht. Die lange Dürreperiode hat mit ihren Folgen für die Natur und unsere Landwirtschaft gezeigt, wie wichtig Wasser für unser aller Leben ist. Doch wie umsichtig gehen wir mit dieser Ressource um?
Wasser ist ein lebenswichtiges, wenn nicht das lebenswichtige Element. Es bedeckt mit circa 71 Prozent den Großteil der Erdoberfläche. Jedoch sind davon 97 Prozent Salzwasser, welches nur in geringem Umfang vom Menschen verwendet werden kann. Das für uns nutzbare Süßwasser fällt mit nur rund einem Prozent eher knapp aus. Durch die Sonnenenergie wird der Wasserkreislauf angetrieben. Dieser sorgt dafür,dass das Wasser auf der Erde verteilt wird und für Mensch und Natur verfügbar ist. Durch seine außergewöhnlichen Eigenschaften ist es überall vorhanden – auch der menschliche Körper besteht je nach Alter zu 50 bis 80 Prozent aus Wasser – und stellt so ein wichtiges Bindeglied zwischen den verschiedenen Teilen des Erdsystems dar.
Ganz besondere Brücken
Das Geheimnis der außergewöhnlichen Eigenschaften von Wasser liegt im Aufbau der Wassermoleküle. Sie bestehen aus nur drei Atomen: einem großen Sauerstoff- und zwei kleinen Wasserstoffatomen. Das dominierende Sauerstoffatom zieht die Elektronen der Wasserstoffatome zu sich, es kommt zu einer Anhäufung von Ladung am großen Atom. So entsteht die starke Polarität der Moleküle. Durch sie ziehen sie sich gegenseitig an und bilden Wasserstoffbrücken. Dieses Phänomen ist wiederum die Voraussetzung dafür, dass Wasser seine ungewöhnlich hohen Schmelz- und Siedepunkte von 0 und 100 Grad besitzt. Wäre das nicht der Fall, so würde Wasser auf der Erde lediglich in Form von Wasserdampf vorkommen. Die Wasserstoffbrücken führen aber auch noch zu anderen Eigenschaften, die das Wasser zu einem so bedeutenden Bestandteil unserer Erde haben werden lassen. Zum einen führt die Anziehungskraft der Moleküle zu einem Stoffzusammenhalt, der es ermöglicht, dass Wasser auch entgegen der Schwerkraft als Transportmittel agieren kann.
Diese Eigenschaft ist vor allem bei der Versorgung von Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen wichtig. Zum anderen verleihen die Wasserstoffbrücken dem Wasser eine hohe Wärmekapazität sowie eine vergleichsweise hohe Schmelz- und Verdampfungswärme. Diese Eigenschaften haben einen wesentlichen Einfluss auf die Klimaregulation der Erde. So beeinflussen große Meeresströme, wie der Golfstrom, das Klima in vielen Ländern. Aber auch wenn es kälter wird und beispielsweise Gewässer zufrieren, stellt die Dichteanomalie des Wassers das Überleben der vorkommenden Lebewesen sicher. Durch die Anomalie erreicht Wasser bei einer Temperatur von rund vier Grad seine größte Dichte. Eis bildet sich dadurch immer an der Wasseroberfläche, und das vier Grad warme Wasser sinkt nach unten. So frieren tiefere Gewässer nicht zu. All diese Eigenschaften machen das Wasser für uns und die Natur unentbehrlich. Experten mahnen jedoch schon seit Jahrzehnten, dass wir unseren Umgang mit dieser Ressource achtsamer gestalten müssen.
Blaues und grünes Wasser
Die derzeit weltweit nutzbare Süßwassermenge beträgt knapp 16 000 km³ im Jahr. Allerdings müssen davon zu stark verschmutztes Wasser und der Anteil abgezogen werden, der für die Erhaltung von Fluss- und Auenökosystemen nicht durch den Menschen entnommen werden sollte. Als problematisch sehen Forscher vor allem die großen regionalen Unterschiede bei den Süßwasservorkommen. Aber auch die stetig wachsende Weltbevölkerung sorgt dafür, dass das Wasserangebot einer immer größer werdenden Nachfrage gegenübersteht.
Lange ging man davon aus, dass für uns nutzbares Wasser nur solches aus Seen, Flüssen und der Grundwasserschicht sei. Doch im Jahr 1995 führte die schwedische Hydrologin Malin Falkenmark zwei neue Begriffe ein: »blaues Wasser« und »grünes Wasser«. Als blaues Wasser bezeichnete sie das gesamte Oberflächenwasser, welches für die Versorgung von Haushalten und Industrien sowie der bewässerten Landwirtschaft genutzt wird. Das zuvor nicht beachtete Boden- und Regenwasser, welches bei der unbewässerten Landwirtschaft und der Weidehaltung von Bedeutung ist, nannte sie grünes Wasser. Es spielt für die Vegetation der Erde eine viel größere Rolle als das blaue. So stehen sich bei der Verdunstung auf Acker- und Weideflächen 21 000 km³ grünes und 1200 km³ blaues Wasser pro Jahr gegenüber.
Wie viel Wasser verbrauchen wir?
Die Begriffe »Wassernutzung« und »Wasserverbrauch« bezeichnen verschiedene Sachverhalte. Ersteres bezieht sich auf die Entnahme von blauem Wasser aus Seen, Flüssen, Talsperren und dem Grundwasser. Entscheidend ist hier, dass ein Teil des verwendeten Wassers nach kurzer Zeit wieder in das Gewässer zurückfließt. Der Wasserverbrauch beschreibt die tatsächlich aufgebrauchte Menge. Dieses Wasser wird entweder gar nicht oder erst sehr viel später in die Gewässer zurückgeführt. Die verstärkte Wasserentnahme und Modifikation der Gewässer bleibt nicht ohne Folgen. Gesenkte Wasserspiegel, trockene Flussunterläufe oder verschmutztes Wasser sind nur einige davon. Bekannte Beispiele wie der Aralsee und seine Zuflüsse oder der Colorado zeigen, wie folgenschwer eine übermäßige Wasserentnahme des Menschen sein kann.
In Deutschland beträgt die täglich genutzte Wassermenge pro Person 120 Liter. In den USA, Kanada und Australien sind es sogar durchschnittlich 500 Liter pro Person. Dem gegenüber stehen Nutzungsmengen, die nicht einmal den humanitären Mindestbedarf von täglich 20 bis 60 Litern erreichen. Viele mittelamerikanische, zentralasiatische und nordafrikanische Länder sind davon betroffen. Der Wasserverbrauch durch Industrie und Haushalte fällt jedoch eher gering aus, da die genutzten Mengen größtenteils wieder in die Gewässer zurückfließen. Anders verhält es sich mit der bewässerten Landwirtschaft. Sie hat einen Anteil von zwei Dritteln an der Nutzung und drei Vierteln am Verbrauch von blauem Wasser. Grund dafür sind die klimatischen Bedingungen in vielen Anbaugebieten und die starke Zunahme der Bewässerungsflächen weltweit. Heute werden über 300 Millionen Hektar zur Bewässerung von Reis, Baumwolle, Weizen, Mais und anderen Anbauprodukten genutzt. Aber auch durch die Vergrößerung der unbewässerten Landwirtschaftsflächen stehen beträchtliche Mengen von grünem Wasser unter menschlicher Nutzung.
Um diesen »versteckten« Anteil von Wasser in unseren Nahrungsmitteln sichtbar zu machen, hat der niederländische Professor für Wassermanagement Arjen Hoekstra den »Wasserfußabdruck« eingeführt. Er zeigt, wie viel virtuelles Wasser von einer Person oder einem Staat für die Erzeugung eines Produkts verbraucht wird. Bei einem Rind liegt der durchschnittliche virtuelle Wassergehalt bei über 15 000 Litern pro Kilogramm Fleisch. Im Gegensatz dazu fällt er bei pflanzlichen Produkten wie der Tomate mit 214 Litern pro Kilogramm oder der Orange mit 560 Litern pro Kilogramm wesentlich geringer aus. Nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für andere Produkte kann mittlerweile der virtuelle Wasserverbrauch ermittelt werden. So kann man auf der Seite des Water Footprint Network Informationen über verschiedene Güter finden und detailliert den eigenen Wasserfußabdruck berechnen lassen.
Entscheidend ist aber auch, dass sich der virtuelle Wassergehalt eines Produktes stark danach richtet, wo es produziert wird. So benötigt die Produktion von einem Kilogramm Mais in den Niederlanden lediglich 619 Liter Wasser, in Italien sind dafür bereits 2421 Liter nötig. Dort kann man wiederum ein Kilogramm Sojabohnen für 1506 Liter anbauen. Für die gleiche Menge Sojabohnen benötigt man in Indien ganze 4124 Liter Wasser. Bezieht man die virtuelle Wassermenge von Lebensmitteln in die Berechnung der täglich verwendeten Pro-Kopf-Menge mit ein, so erhöht sich die Wassernutzung westlicher Industrienationen um zusätzlich fast 4000 Liter pro Person.
Überlegungen für die Zukunft
Besonders bei den regionalen Unterschieden des virtuellen Wassergehaltes eines Produktes stellt Dieter Gerten von der Humboldt-Universität Berlin die Überlegung an, ob es nicht sinnvoll wäre, Güter mit einem hohen Anteil eher in wasserreichen Ländern anzubauen und in wasserarme Länder zu exportieren.
Auch in Bezug zur industriellen Fleischproduktion sieht er Möglichkeiten, wie nutzbare Wassermengen anders verwendet werden könnten. Die Futtermittel der Tiere umfassen mehr als ein Drittel des weltweit produzierten Getreides und haben damit einen Anteil von knapp 20 Prozent am gesamten Verbrauch von blauem Wasser. Je nach regionalen Gegebenheiten könnte dieses Wasser beispielsweise direkt für die Bewässerung von Feldfrüchten für den menschlichen Verzehr genutzt werden. Aber auch innerhalb der Viehproduktion kann die Wasserproduktivität verbessert werden. So kann die Umstellung von Rinder- auf Geflügelhaltung oder eine reine Milchproduktion statt einer Fleischproduktion eine Einsparung im Wasserverbrauch bewirken. Wie sich Wassernutzung und ‑verbrauch regional und global zukünftig entwickeln werden, hängt für Gerten von vielen Faktoren ab. Zum einen werden die verschiedenen Lebensstile und verwendeten Wassertechnologien ihren Anteil dazu beitragen. Andererseits wird auch entscheidend sein, welche Wasservorkommen in der Zukunft als schützenswert gelten. Aber den wahrscheinlich größten Einfluss wird die Anzahl der zu versorgenden Menschen haben, denn die Weltbevölkerung nimmt rasant zu.
Im Jahr 2060 sollen es laut den Berechnungen der UN zur Entwicklung der Weltbevölkerung bereits über zehn Milliarden Menschen sein. Um eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln zu gewährleisten, wird sich unser Umgang mit dem Wasser ändern müssen. Der virtuelle Wasserverbrauch zeigt, dass wir durchaus Mittel und Wege haben, nachhaltiger mit unserer wichtigsten Ressource umzugehen. Und mit der Möglichkeit, den eigenen Wasserfußabdruck zu berechnen, kann jeder selbst etwas dafür tun.