Am 9. Januar 2023 begann die Besetzung des größten Hörsaals der Martin-Luther-Universität im Auditorium Maximum durch Aktivist:innen der Gruppe „End Fossil: Occupy! Halle“. Ziel der Besetzung waren Verhandlungen über klimagerechte Transformationen an der Hochschule und in der Gesellschaft. Insgesamt dauerte die Besetzung fünf Tage.
Forderungen für ein nachhaltig gutes und sozial gerechtes Leben
End Fossil: Occupy! ist eine weltweite Bewegung, die sich durch Besetzungen in Schulen und Universitäten für Klimagerechtigkeit einsetzt. In Deutschland starteten die Aktionen der Bewegung im Oktober 2022 mit der Besetzung eines Hörsaals der Universität Göttingen. Seitdem wurde in vielen weiteren Hochschulen besetzt, wie zum Beispiel in Berlin, Frankfurt am Main, Leipzig und Jena. Deutschlandweit fordert die Bewegung das Ende der fossilen Wirtschaft, den Umstieg auf erneuerbare Energien und eine sozial gerechte Verkehrswende, beispielsweise durch ein dauerhaftes und deutschlandweites 9€-Ticket. Zudem unterstützen die Aktivist:innen andere Gruppen der Klimaschutzbewegung, wie zum Beispiel, die Initiative Lützi bleibt! und deren Forderungen.
Die Ortsgruppe Halle fordert vor allem eine kritischere Lehre und ein verpflichtendes Modul zu Themen wie sozialgerechte und nachhaltige Entwicklung, sowie der Klimakrise in allen Studiengängen. Die Gruppe kritisiert: „Die Universität als ein zentraler Bildungsort trägt eine gesellschaftliche Verantwortung, der sie aktuell nicht nachkommt. Lehrinhalte orientieren sich nicht am wissenschaftlichen Konsens darüber, was nötig ist, um der Klimanotlage, sozialen Krise, Gesellschaftskrise passend entgegenzuwirken.“ Deshalb fordert End Fossil: Occupy! Halle die Umstrukturierung von Lehrinhalten besonders krisenrelevanter Studiengänge. Der Fokus soll vorwiegend auf Themen der Klimagerechtigkeit gelenkt werden. „Lerninhalte sollen von wissenschaftlichen Erkenntnissen und nicht von wirtschaftsnahen Akteur:innen bestimmt und gestaltet werden. Damit geht die Prüfung finanzieller Fördermittel einher.“, so eine weitere Forderung der Gruppe an die Universität. Wichtig ist den Aktivist:innen außerdem, dass die hallischen Hochschulen so bald wie möglich — spätestens jedoch bis 2030 — klimaneutral werden. Maßgebliche Veränderungen sollen vor allem in den Bereichen Energie, Mobilität, Infrastruktur und Ernährung umgesetzt werden. Zudem halten sie eine paritätische Besetzung der Hochschulgremien mit Studierenden für wichtig.
Hier ist besetzt!
Am späten Montagnachmittag, den 9. Januar, betraten die Klimaaktivist:innen zehn Minuten vor dem Ende der dort stattfindenden Vorlesung mit einem Banner den Hörsaal und erklärten diesen für besetzt. Bei ihrer Eröffnungsrede stellten sie klar: „Die Besetzung ist nicht als direkter Angriff auf die Hochschulleitung, sondern als politisches Statement und als höchst dringende Handlungsaufforderung an alle angesprochenen Akteure zu verstehen. Wir sind an einem Austausch über konkrete Veränderungsmöglichkeiten und an der Suche von Handlungsfeldern interessiert — weniger an einer Debatte über unsere Aktionsform. Würde unsere Gesellschaft so viel über die relevanten Probleme diskutieren, wie über den Protest dagegen, hätten wir weniger Probleme. Wir wollen nicht die Bildung stören, sondern sie zum Positiven verändern!“. Wenige Stunden nach Beginn der Besetzung teilte die Rektorin der Universität, Prof. Dr. Claudia Becker mit, dass die Lehre so vollständig wie möglich weiterhin stattfinden solle. „Ich möchte umgehend in Gespräche mit den Personen der Gruppe eintreten, um die Einschränkungen schnellstmöglich zu beenden. Aus diesem Grund habe ich mir bereits ein Bild von der Situation vor Ort gemacht und werde einen Forderungskatalog entgegennehmen.“ Während der Besetzung fanden im Hörsaal verschiedene Veranstaltungen in Kooperation mit anderen Organisationen und Initiativen statt. So sprach das Aktionsbündnis MLUnterfinanziert über die unzureichende Finanzierung Ende Gelände berichtete über die Situation im von Abbaggerung bedrohten und deshalb ebenfalls besetzten Dorf Lützerath, die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft hielt einen Vortrag über Klima und Kapitalismus und auch die bereits länger geplante Vollversammlung des Instituts für Politikwissenschaft zu den anstehenden Veränderungen der Studiengänge fand statt. Die Studierenden übernachteten im Hörsaal und verpflegten sich mit gespendetem Essen. Solidaritätsbekundungen erhielt die Besetzung unter anderem vom Studierendenrat der Universität.
Das Ende der Verhandlungen
Am Freitagnachmittag, den 13. Januar, wurde die Besetzung des größten Hörsaals im Auditorium Maximum nach Verhandlungen zwischen der Hochschulleitung und den Aktivist:innen für beendet erklärt. Bereits am 10. Januar hatten Gespräche zwischen den Besetzenden und dem Nachhaltigkeitsbüro begonnen. In den anschließenden zwei Tagen fanden intensive Besprechungen mit dem Rektorat und Dekan:innen statt. „Die Verhandlungsparteien sind sich darüber einig, dass Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden muss und dringender Handlungsbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund strebt die MLU an, schnellstmöglich klimaneutral zu werden, und verstärkt ihre Bemühungen hierum.“, so das Rektorat. Weitere Ergebnisse der Verhandlungen seien die Einrichtung eines Hochschulklimarats ab dem Sommersemester 2023, die Veröffentlichung einer Klimabilanz der Universität, sowie die Erarbeitung eines ASQ-Moduls zu den Themen Nachhaltigkeit und globale Klimagerechtigkeit. In den Fakultäten soll der Dialog über Nachhaltigkeits- und Klimagerechtigkeitsthemen gefördert werden und die Universität möchte die Fakultäten an der Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie beteiligen. In einem Interview mit Radio Corax zeigte sich ein Sprecher von EndFossil: Occupy! Halle sehr erfreut: „Ich glaube, wir haben am Ende ein supergutes Ergebnis erzielt.“
Henriette Schwabe