Gestrandet im Nirgendwo. Von der Bahn aus­ge­setzt und im Stich gelas­sen. Ohne Handy, nur mit einem Mülleimer als Gesellschaft. Eine aus­sichts­lo­se Lage. Bis Ulli auf­taucht. Mein rau­chen­der Retter. Hustend am Steuer eines gol­de­nen Reisebusses, des­sen Passagier:innen einen höhe­ren Altersdurchschnitt haben als jeder Friedhof.

Ich ste­he an einem ein­zel­nen lan­gen Gleis, das sich aus mir unbe­kann­ten Gründen Bahnhof nen­nen darf. Nichts an die­sem Fleckchen Erde recht­fer­tigt die­sen Titel. Es gibt kei­ne gehetz­ten Pendler:innen, die ver­zwei­felt ver­su­chen zur Bahn zu sprin­ten, ohne dabei zu ren­nen. Auch feh­len die schlech­ten Bäckereiketten, die mei­ne Not aus­nut­zen und mir über­teu­er­te, tro­cke­ne Brezeln ver­kau­fen, nach deren Genuss ich am liebs­ten eine Hand voll Saharasand gur­geln wür­de. Ich kann kei­ne Fahrpläne und Anzeigetafeln ent­de­cken. Das Einzige, was mir Gesellschaft leis­tet, ist ein Mülleimer, der allem Anschein nach weder regel­mä­ßig benutzt noch geleert wird und ein Plakat, das mich dazu auf­ruft, mich bei der Bahn zu mel­den, falls die Beleuchtung nicht funk­tio­niert, die es hier offen­sicht­lich gar nicht gibt.

Meine Aufmerksamkeit zieht aber ein rät­sel­haf­tes Schild auf sich, das wohl vor vie­len Jahrzehnten ein­mal Aufschluss dar­über lie­fern konn­te, wo zum Teufel ich mich hier eigent­lich befin­de. Heute kann ich hier ledig­lich einen Bruchteil eines Buchstabens ent­zif­fern, der aller­dings auch ein Vogelschiss sein könn­te. Weit links auf dem dun­kel­blau­en Rechteck erken­ne ich einen klei­nen Bogen, der sich zur glei­chen Seite hin öff­net. Ich füh­le mich wie­der wie beim Sehtest, den ich gera­de so bestan­den hat­te. So dicht am Durch-die-Prüfung-Rasseln wie damals war ich noch nie. Jetzt tra­ge ich trotz­dem Brille und den­ke ange­strengt an nichts ande­res als an die mög­li­chen Anfangsbuchstaben des Ortes, an dem ich gestran­det bin. Wie kann die­ses Ende der Welt wohl benannt wor­den sein? Vielleicht irgend­was mit „O“ oder „D“? Möglich wäre auch ein „R“ oder doch ein „B“. Meine Gedanken krei­sen durch das Alphabet und ver­su­chen sich ange­strengt an pas­sen­de Ortsnamen zu erin­nern. Hätte ich mal in Geografie bes­ser auf­ge­passt. Aber seit mich mei­ne Geo-Lehrerin aus vol­ler Kehle ange­schrien hat­te, weil ich mei­ne Überschriften in Schwarz und nicht in Farbe unter­stri­chen hat­te, konn­te ich mit die­sem Fach nichts mehr anfan­gen. Dass ich mir als Reaktion dar­auf einen dun­kel­grau­en Stift zuge­legt hat­te, fand sie dann auch nicht witzig.

Oh Gott! Ich fan­ge schon an, in Erinnerungen zu schwel­gen. Auf der Kurz-vor-dem-Durchdrehen-Skala steht das unmit­tel­bar vor Selbstgesprächen. Ich bin zu lan­ge allein hier gestran­det. Nur ich, das Gleis und der Mülleimer, von dem ich befürch­te, dass er, wenn ich noch län­ger in die­ser Einsamkeit ver­wei­le, zu mei­nem bes­ten Freund und Begleiter wird. Statt vom Meer sind wir umge­ben von Bäumen, aber ver­mut­lich ähn­lich weit weg von jeg­li­cher Zivilisation. Doch der ein oder die ande­re mag sich womög­lich fra­gen, wie zur Hölle ich eigent­lich in die­sem Nichts gelan­det bin.

Meine Odyssee nahm damit ihren Anfang, dass ich es nicht abwen­den konn­te und wie­der in die lang­sams­te Regionalbahn der nörd­li­chen Hemisphäre stei­gen muss­te, die selbst ein ein­bei­ni­ger Affe auf einem Einrad berg­auf ohne Anstrengung über­ho­len wür­de. Ich stand also erwar­tungs­voll am Start-Bahnhof, hat­te bis­her noch nicht ein­mal Sichtkontakt mit der Regio, aber schon Verspätung. Ich check­te unauf­hör­lich die immer grö­ßer wer­den­den roten Zahlen in der DB-App und stell­te fest, dass die meis­ten Menschen, die einst mit mir war­te­ten, die Geduld ver­lo­ren hat­ten. Aus einer unüber­sicht­li­chen Anzahl an Reisenden wur­de ein klei­ner über­schau­ba­rer Rest, der die Hoffnung und den Glauben an unse­re Bimmelbahn noch nicht ver­lo­ren hat­te. Ich für mei­nen Teil gehö­re gewöhn­lich auch zu Ersteren, Abtrünnigen, aber ich war ver­zwei­felt und mal wie­der auf die unzu­ver­läs­sigs­te aller Bahnen ange­wie­sen. Ich beu­ge mich eben nur einer Macht: die­sem beschis­se­nen Zugfahrplan!

Doch dann schob sich end­lich die Bahn ganz klein am Horizont immer wei­ter in mei­ne Richtung. Sie kämpf­te sich vor­wärts. Für einen klei­nen Augenblick mein­te ich, einen schwit­zen­den Lokführer an der Spitze der Lok erkannt zu haben, der das ton­nen­schwe­re Gefährt unter größ­ter kör­per­li­cher Anstrengung zog. Aber da muss­ten mich mei­ne mit Freudentränen geflu­te­ten Augen getäuscht haben. Auch ein Motor war imstan­de eine Bahn so lang­sam anzu­trei­ben, dass man schon genau hin­se­hen muss­te, um über­haupt Bewegung erken­nen zu können.

Irgendwann war es so weit: Wir (damit mei­ne ich eine Frau, die das Warten auf einer Bank ver­schla­fen hat­te, ihr voll bepack­tes E‑Bike und mich) konn­ten ein­stei­gen. Ich hat­te schon gegoo­gelt, wie lan­ge ich für die Strecke zu Fuß brau­chen wür­de, und kann jetzt schon sagen: Hätte ich das mal gemacht. Aber dafür hat­te ich nicht die rich­ti­gen Schuhe an. Immerhin konn­te ich mei­nen Platz so frei wäh­len und es mir rich­tig gemüt­lich machen, soweit das die­se Sitze, gegen die der elek­tri­sche Stuhl recht mucke­lig aus­sah, eben zuließen.

Mir gelang es sogar ein­zu­schla­fen, bevor ich etwas von den obli­ga­to­risch auf­tre­ten­den Rückenschmerzen mer­ken konn­te. Doch dann wur­de ich geweckt. Nicht von einer unver­ständ­lich genu­schel­ten Durchsage, die eine Entschuldigung für die Verspätung heu­chel­te. Nein. Vom Lokführer höchst­per­sön­lich. Ich blin­zel­te und sah mich etwas ver­schla­fen um. Ich stell­te fest: Ich war die letz­te übri­ge Passagierin. Was sich hier eher anfühl­te wie die letz­te Überlebende.

Der Lokführer frag­te mich, wohin es für mich gehen soll­te. „Nein! Also bis zur Endstation!?“, sag­te der Herr mit ent­setzt auf­ge­ris­se­nen Augen. Das mache er aber wirk­lich nicht für eine Person. Das hier sei jetzt sei­ne Endstation. Ich sol­le doch bit­te aus­stei­gen; er küm­me­re sich um Ersatz für mich. Ich kön­ne es ja sicher nicht eilig haben, wenn ich mit ihm unter­wegs sei. Völlig per­plex fand ich mich eben genau hier im Nirgendwo wie­der und blick­te dem zum Abschied hupen­den Zug hin­ter­her, der plötz­lich, als ich nicht mehr drin­saß, sei­ne Geschwindigkeit wie­der­ge­fun­den hatte.

Meine Introvertiertheit war mit der Situation so über­for­dert, dass sie natür­lich in kei­ner Weise Nachfragen gestellt hat­te. Das Einzige, was ich jetzt weiß, ist, dass sich ein nicht sehr moti­vier­ter Lokführer viel­leicht, viel­leicht aber auch nicht um irgend­ei­nen Ersatzverkehr küm­mern woll­te. Ich ver­su­che nun, durch einen Blick in die DB-App schlau­er zu wer­den, doch als ich mei­ne Verbindung che­cke, beginnt das Wort „Schienen­ersatzverkehr“ wild zu blin­ken, bis sich die App schließt und mein Handy ein letz­tes Mal hell auf­leuch­tet. Der Akku ist leer. Natürlich, das habe ich davon, wenn ich stän­dig che­cken muss, ob sich Laufen doch loh­nen könnte.

Ich ste­he also hier an einem Ort irgend­wo zwi­schen Halle und dem bay­ri­schen Kaff, das sowohl mein Ziel als auch mei­ne Heimat ist. Allein ohne Handy und wir wis­sen doch alle, was mei­ne Generation ohne ihr Smartphone ist. Mir bleibt also nichts ande­res übrig, als zu hof­fen, dass hier irgend­wann irgend­was mit der gro­ßen Aufschrift „Ersatzverkehr“ vor­fährt und mich auf­nimmt. Wohin es dann geht, ist mir mitt­ler­wei­le auch schon egal. Es kann nur bes­ser wer­den (famous last words).

Ich spie­le mit dem Gedanken, mich vom „Bahnhof“ zu ver­ab­schie­den und auf eige­ne Faust dem schma­len Feldweg, der hier­her und dem­entspre­chend auch weg­führt, zu fol­gen. Aber das ist schon in Filmen, die ich nicht gese­hen habe, kei­ne gute Idee. Ich blei­be also vor­erst. Langsam muss doch die Sonne mal unter­ge­hen. Ich habe kei­ne Ahnung, wie lan­ge ich hier schon ver­weil­te. Meine Gedanken wer­den immer ver­rück­ter und ich bin wirk­lich kurz davor, mit mei­nem Mülleimer ein tief­grün­di­ges Gespräch über das Nicht-Geliebt-Werden, die Unfairness des Lebens und sei­ne Meinung zum Pfandsystem anzu­fan­gen. Aber was ist das?! Ich höre in der Stille, an die ich mich jetzt schon lang­sam gewöhnt habe, ein Brummen. Es wird lau­ter. Es klingt nach einem Motor. Ich wage einen Blick zu den Gleisen. Da tut sich nichts. Aber auf dem klei­nen Weg hin­ter mir taucht ein lan­ger Schatten auf. Da kommt etwas Großes auf mich zu und mir wird eins klar: Ich stei­ge da ein! Ich muss hier weg! Selbst wenn mich das in die Arme eines bru­ta­len Mörders treibt. Dann hat das elen­de Warten wenigs­tens ein Ende.

Während ich mei­ne sie­ben Sachen zusam­men­su­che und mich über­ra­schend emo­tio­nal von dem Mülleimer ver­ab­schie­de, beob­ach­te ich den Feldweg und den Schatten. Schließlich schiebt sich ein rie­si­ger gol­de­ner Reisebus durch die Enge. Und tat­säch­lich, ich habe schon gar nicht mehr dar­an geglaubt, aber auf der Anzeige über der Frontscheibe leuch­tet in gro­ßen Buchstaben „Ersatz“.

Ich lau­fe also auf mei­ne Rettung in strah­len­der Lackierung zu und Ulli, der Busfahrer, lehnt bereits läs­sig an sei­nem Gefährt und raucht. Woher ich sei­nen Namen und sei­ne Profession ken­ne? Ulli macht es mir ein­fach. Er trägt neben schlabb­ri­gen Hosen und einem Polohemd mit Flecken, von denen ich hof­fe, dass es nur Kaffee ist, eine Kappe, bestickt mit einem Bus (wahr­schein­lich sein Lieblingsmodell) und sei­nem Namen in gro­ßen Lettern. Vermutlich um jeder Verwirrung zu ent­ge­hen, wenn er nicht hin­term Steuer sitzt.

Nachdem er mich in zwei Sätzen drei­mal Fräulein und Mädel genannt hat, habe ich es geschafft und kann die stei­le Treppe hoch­klet­ternd ein­stei­gen. Oben ange­kom­men bli­cke ich in ein Meer aus fal­ti­gen Gesichtern und grau­en Haaren, wel­ches sich in zwei Lager gespal­ten hat. Auf der lin­ken Seite tra­gen alle grü­ne T‑Shirts mit der Aufschrift: Kleintierzüchter. Die auf der Rechten sind alle in Pink geklei­det und bezeich­nen sich ihren Oberteilen zufol­ge als „Gartenfreunde“. Beide Parteien gehö­ren zum glei­chen Dorf, das so unbe­deu­tend ist, dass ich sei­nen Namen sofort wie­der ver­ges­sen habe.

Am vor­de­ren Ende des schma­len Ganges ste­hend, suche ich einen frei­en Platz. In dem Moment, in dem ich den Blick über die Sitzreihen schwei­fen las­se, begin­nen die ers­ten Rentner:innen Karamell- oder Eukalyptusbonbons zu zücken und ver­su­chen mich damit anzu­lo­cken wie einen Hund. Dazu machen sie natür­lich auch die pas­sen­den Geräusche. Ich mer­ke schnell, dass hier ein Kampf aus­bricht, auf wes­sen Seite ich mich schla­ge. Es gibt noch zwei freie Sitze. Einen links, einen rechts. Anscheinend möch­te jede der bei­den Seiten in den Genuss mei­ner Gesellschaft kom­men. Es wer­den sich böse Blicke zuge­wor­fen, wäh­rend ich mich durch den Gang kämp­fe. Ich bin noch nicht mal an einem der bei­den mög­li­chen Plätze ange­kom­men, um eine Wahl zu tref­fen, und es wer­den sich die Top-Ten-Beschimpfungen aus den ver­gan­ge­nen vier Jahrhunderten an die grau­haa­ri­gen Köpfe gewor­fen. Vom klas­si­schen Armleuchter über die krea­ti­ve­re G’witterziege bis hin zum bay­ri­schen Koirawiapostl (für alle, denen das Bayrische fremd ist, hier die Übersetzung: Kohlrabiapostel) oder dem Hundskrippl.

Beleidigungen wer­den über den Gang gewor­fen wie Granaten. Der Großteil mei­ner Mitreisenden muss sich jetzt wohl wie­der leb­haft an einen der bei­den Weltkriege erin­nern, denen sie bei­gewohnt haben. Wobei hier bei vie­len auch der Deutsch-Französische in Frage käme. Ich jeden­falls bin zwi­schen die Fronten gera­ten und wer­de schließ­lich von einer ret­ten­den Hand aus dem Gemenge, das kurz davor ist, sich zu prü­geln, auf einen Sitz gezogen.

In die­sem Moment ertönt das wider­lichs­te, ver­schleim­tes­te Husten, das je ein Ohr ver­nom­men hat, aus den Lautsprechern. Ulli spricht ein Machtwort. Dabei nutzt er sein Husten, das nach einer neu­en Lunge schreit, als Signalton vor der Durchsage, wie man­che Bahnen eine kur­ze, freund­li­che Melodie, die für gute Stimmung sor­gen soll, wenn der Lokführer Sekunden spä­ter see­len­ru­hig alle ver­pass­ten Anschlüsse aufzählt.

Ich ver­ste­he nicht alles, aber anschei­nend gibt es schon län­ger Streit zwi­schen den bei­den Vereinen. Soweit ich das durch­bli­cken kann, geht es um den grö­ße­ren und bes­se­ren Raum im Gemeindehaus. Das ist alles. Zumindest alles, was ich ver­ste­hen kann, bevor wie­der Ruhe ein­kehrt und die Beleidigungen lang­sam harm­lo­ser wer­den, bis sie ganz ver­stum­men. Zur Versöhnung wer­den aus allen mög­li­chen Jutebeuteln mit Apothekenwerbung, Jacken- und Hosentaschen klei­ne Flaschen Obstler und Flachmänner gezo­gen, deren Geruch mir Tränen in die Augen stei­gen lässt. Die Streitparteien haben wohl ein­ge­se­hen, dass sich ihr Problem auch auf ande­re Weise lösen lässt als durch bru­ta­le Wortgefechte auf der Rückreise von irgend­einer Gartenschau.

Es wird freu­dig Alkohol geteilt und durch die Reihen gereicht. Ich leh­ne dan­kend ab und begnü­ge mich mit mei­ner Hand voll Werther’s Original, die mir unauf­fäl­lig zuge­steckt wur­den. Innerhalb weni­ger Minuten ist die Stimmung von Schulhofschlägerei zu Ballermann gekippt. Was bes­ser ist, weiß ich ehr­lich nicht. Doch jetzt zau­bert mei­ne Sitznachbarin Waltraud eine Mundharmonika aus ihrer Tasche; die scheint sie für Notfälle immer dabei zu haben. Man kann ja nie wis­sen, wann das nächs­te Ständchen ruft. So muss die Hölle klingen.

Waltraud stimmt alle Schlagerhits des letz­ten Jahrhunderts an, die sie kennt, und sofort beginnt die Stimmung im gan­zen Bus zu kochen. Wäre mei­ne Oma nicht schon tot, hät­te sie bei die­ser Hitparade vor Freude einen Herzinfarkt erlit­ten. Alles, was das Senior:innen-Schlagerherz begeh­ren kann, ist dabei: von „Griechischer Wein“ über „Santa Maria“ bis „Über sie­ben Brücken musst du geh’n“. Ich hin­ge­gen wür­de mich lie­ber von sie­ben Brücken stürzen.

Während ich so in Todessehnsüchten schwel­ge, fällt mir auf, dass mir die drau­ßen vor­bei­zie­hen­de Landschaft doch sehr bekannt vor­kommt. Ulli chauf­fiert uns über die schmal­sten Feldwege mit den steils­ten Kurven und ich muss fest­stel­len, dass ich hier schon ein­mal als Kind mit mei­nem klei­nen rosa Fahrrad dra­ma­tisch gestürzt bin. Ich kann es kaum fas­sen. Wir soll­ten in weni­gen Minuten mein klei­nes Kaff pas­sie­ren. Aufgeregt kämp­fe ich mich zum Busfahrer nach vor­ne durch die fei­er­wü­ti­ge Meute und tat­säch­lich kommt Ulli mei­ner Bitte nach und möch­te mich am Orts­eingang raus­las­sen. Ich kann es kaum fas­sen, ste­he schon bereit an der Tür, und dann soll ich dem Busfahrer doch den Weg zu mir nach Hause beschrei­ben. Er möch­te mich vor der Haustür abset­zen. Seine Passagier:innen wür­den sowie­so nicht mehr bemer­ken, ob sie recht­zei­tig ankom­men oder nicht.

So schlän­gelt sich der rie­si­ge Reisebus unter mei­ner Wegbeschreibung durch das Minidorf, nur um mich ganz am Ende einer Sackgasse vor mei­nem Elternhaus aus­stei­gen zu las­sen. Ulli war­tet sogar noch, bis ich im Inneren ver­schwun­den bin. Wie ich es von mei­nen Freund:innen gewohnt bin, die auch immer auf Nummer sicher gehen, dass ich es tat­säch­lich bis ganz nach Hause geschafft habe. So schlei­mig sein Husten auch war, das rech­ne ich ihm hoch an. Er bekommt einen ganz beson­de­ren Platz in mei­nem Herzen. Direkt neben der Schaffnerin, die dafür gesorgt hat, dass ich es ein­mal vor ganz lan­ger Zeit deut­sche-Bahn-pünkt­lich (mit unge­fähr zehn Minuten Verspätung) ans Ziel geschafft habe. Ein Engel, geklei­det in dun­kel­blau und rot.

Text und Illustrationen: Michelle Ehrhardt

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