Am 15. und 16. Juni hat das Puppentheater zu Halle, anlässlich seines 70-jährigen Jubiläums, einen 18 Meter hohen Gulliver auf dem hiesigen Marktplatz auferstehen lassen. Unter der Bühne des strahlend blauen Himmels wurden auch die Zuschauenden zu Mitwirkenden des einzigartigen Schauspiels.
Zum Start der Festwoche hat sich das Puppentheater in Zusammenarbeit mit den anderen Kulturstätten Halles etwas ganz Besonderes ausgedacht: Gullivers spektakuläre Reisen sollen in individueller Art an verschiedenen Standorten der Salzstadt aufgeführt werden. Den Anfang bildet dabei die Ankunft des extra für dieses Ereignis angefertigten, riesigen Protagonisten. Von Helium getragen und wie eine übergroße Marionette durch Seile geführt, stellte das weltweit bekannte französische Theater-Ensemble „Plasticiens Volants“ den handbemalten Gulliver zur Verfügung. Seit 1985 präsentiert die Künstler:innengruppe ihre großartige Puppenshow auf Bühnen von China bis zu den USA, in Thailand, Mexiko oder auch Australien. Die schwebenden Figuren haben bereits die Olympischen Spiele eröffnet und die Fußball-Weltmeisterschaft begleitet. Nun haben die Winde sie zum 70 jährigen Jubiläum des Puppentheaters auf den Marktplatz von Halle getragen.
Nachdem die Vorbereitungen auf dem Marktplatz um 18.00 Uhr begonnen hatten, war die riesige Puppe um 20.00 Uhr einsatzbereit und das Spektakel konnte beginnen. Schwebend leicht bewegte sich der 18 Meter hohe Koloss durch die sich darum herum tummelnden Menschen – Gulliver, schlafend und gestrandet auf dem Marktplatz von Halle. Das Publikum sich versammelnd und staunend, stellvertretend nicht bloß als Einwohner:innen von und um Halle, sondern als die Bewohner:innen von Liliput. Geweckt wurde der Riese durch den von einem Steiger herabschauenden engsten Berater des Königs von Liliput und einer von eindringlichen Klängen begleiteten heranschwirrenden mächtigen Fliege. „La mouche“, französisch für Fliege, durchquerte als treuer Begleiter des Königs die Lüfte des Marktplatzes und setzte sich dabei auf den ein oder anderen Zuschauer:innenkopf. Der gewaltige Insektenkorpus wurde dabei von zwei Mitarbeitenden der französischen Theater-Compagnie „Plasticiens Volants“ federleicht durch die Menge geführt. Nachdem sich auch der König selbst auf seinem fahrbaren Untersatz langsam über den Marktplatz bewegt hatte und den Befehl gab, Gulliver solle sich aufstellen, präsentierte sich schließlich die wahre Größe des Giganten Gulliver. Mit seinen 18 Metern Höhe machte er sogar der Kampanile, dem „Roten Turm“, Konkurrenz und hätte sich direkt in die Skyline von Halle einordnen können. Die pralle Puppe zog es dann Richtung Hallmarkt, um dort ihren Durst am Göbelbrunnen zu stillen und anschließend in einen tiefen Schlummer zu fallen. Wieder aufgestanden ist er am nächsten Tag um 16.00 Uhr, wo die Vorstellung auch ihr offizielles Ende fand. Musikalisch begleitet wurde die einmalige Aufführung von einem Zusammenschluss verschiedener heimischer Chöre, die im Zuge der Vorbereitungen dafür angefragt wurden.
Die Zuschauenden schienen angetan von der Aktion des Puppentheaters. Altersunabhängig konnten sich alle an dieser kostenfrei sattsehen und begeistern lassen. „Solche offenen Veranstaltungen hat man hier nicht oft“, sagt eine Zuschauerin. Sie freue sich, den Marktplatz einmal wieder so außerordentlich voll zu sehen. Die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen, das sei ein elementarer Auftrag von regionaler Kunst und Kultur. Ihre danebenstehende Begleiterin verrät, sie sei erst kürzlich aus Bayern zugezogen und Halle habe ihr so seinen ganz persönlichen Charme und ein ganz persönliches Willkommensgeschenk geboten. Theater für alle – mit diesem Auftritt hat das Puppentheater seinem Ruf wieder einmal alle Ehre gemacht.
Jubiläumsseite des Puppentheaters mit weiteren Bildern: https://puppe70.de
Text und Fotos: Rika Garbe