Am 20. November 2023 über­reich­te der Hochschulklimarat ein aus­ge­ar­bei­te­tes Dokument mit ins­ge­samt 42 Maßnahmenvorschlägen für eine Verbesserung der Biodiversität und Klimafreundlichkeit der Uni Halle an die Hochschulleitung. Aber was soll mit dem Klimaplan eigent­lich umge­setzt wer­den und sind die geplan­ten Maßnahmen ausreichend?

In dem Projekt „Nachhaltige Transformationspfade zur Klimaneutralität mit Planungszellen und Reallaboren“ (kurz: KlimaPlanReal) koope­rie­ren die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die Hochschule Magdeburg-Stendal und die Hochschule Anhalt, die Hochschule Harz, sowie die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, um den Hochschulbetrieb zukünf­tig kli­ma­neu­tral zu gestal­ten und neue Wege zu fin­den, wie Themen der Nachhaltigkeit bes­ser in Forschung, Lehre und Studierendenalltag ein­ge­bun­den wer­den können.

Gegliedert ist das Projekt in vier Phasen. Zuerst wur­den Status-Quo-Berichte erstellt, in denen eva­lu­iert wur­de, wie weit Nachhaltigkeitsthemen bis­her in den Hochschulbetrieb inte­griert wur­den. Der Bericht der MLU stützt sich dabei auf Daten aus dem Jahr 2021. Anschließend soll­ten Maßnahmen aus­ge­ar­bei­tet wer­den, wel­che einen kli­ma­neu­tra­len Hochschulbetrieb ermög­li­chen. Diese Vorschläge lie­gen nun als Klimaplan vor, wel­cher vom Hochschulklimarat ent­wi­ckelt wur­de. Der Klimaplan ist laut Angaben der MLU unter ande­rem eine Reaktion auf die Hörsaalbesetzung der stu­den­ti­schen Aktivist:innengruppe „End Fossil – Occupy! Halle“ im Januar 2023. Diese for­der­te eine kli­ma­ge­rech­te Transformation der Hochschule, unter ande­rem durch kri­ti­sche­re Lehre und mehr kli­ma­be­zo­ge­ne Lehrinhalte, sowie Verbesserungen in den Bereichen Energie, Mobilität, Infrastruktur und Ernährung. Geplant ist der Klimaplan aller­dings bereits seit Ende 2022. Im nächs­ten Schritt wer­den durch das Projektteam der Universität eini­ge der erar­bei­te­ten Empfehlungen aus­ge­wählt und in soge­nann­ten Transferlaboren erprobt. Abschließend sol­len die Erkenntnisse aus dem Projekt so auf­be­rei­tet wer­den, dass ande­re Hochschulen die­sem Leitfaden für eine kli­ma­freund­li­che­re Umstrukturierung der Hochschule fol­gen können.

Was ist eigentlich der Hochschulklimarat?

Der Hochschulklimarat der Martin-Luther-Universität tag­te an zwei Tagen im Sommer 2023. Zusammengesetzt wur­de er mit­tels einer Zufallsauswahl der stu­den­ti­schen Bewerber:innen, sowie aus Professor:innen, wis­sen­schaft­li­chen und wis­sen­schafts­un­ter­stüt­zen­den Mitarbeiter:innen. Die Beschäftigten der Universität lan­de­ten auto­ma­tisch im Lostopf, hat­ten aller­dings die Möglichkeit, von ihrem Los zurück­zu­tre­ten. Dieses Auswahlverfahren soll­te dazu bei­tra­gen, das Gremium viel­fäl­tig zu gestal­ten und den unter­schied­lichs­ten Perspektiven Mitwirkungsmöglichkeiten ein­zu­räu­men. Insgesamt bestand der Rat aus 30 Menschen die­ser Personengruppen, unter­stützt wur­de er durch Expert:innen, die vor Ort oder per Telefon wis­sen­schaft­li­che Informationen zur Verfügung stell­ten, auf deren Basis die Vorschläge für den hal­li­schen Klimaplan entstanden.

Und was steht im Klimaplan?

Der Hochschulklimarat setz­te sich mit drei uni­ver­si­täts­re­le­van­ten Kernthemen aus­ein­an­der, zu wel­chen Fachinput gege­ben, dis­ku­tiert und Lösungsvorschläge ent­wi­ckelt wur­den. Dabei han­del­te es sich um nach­hal­ti­ge Mobilität, Aspekte eines rege­ne­ra­ti­ven Campus, sowie nach­hal­ti­ge Beschaffung und Ernährung. Im Verhandlungsergebnis zwi­schen der Universität und “End Fossil: Occupy! Halle” wur­de zudem fest­ge­hal­ten, das Thema Klimakathastrophe stär­ker in die Lehre zu inte­grie­ren. “Vorschläge aus dem Hochschulklimarat, zum Beispiel das Thema Klimakrise und Lehre mit zu bear­bei­ten, wur­den jedoch vom Nachhaltigkeitsbüro als Organisator des Rates abge­lehnt”, berich­tet Mario F., stu­den­ti­sches Mitglied des Rates der hastuzeit.

Das Ergebnis der Sitzungen des Hochschulklimarates ist ein fast 50 Seiten lan­ges Dokument, wel­ches 42 Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion an der Uni vor­legt. Darin wird unter ande­rem vor­ge­schla­gen, ab dem Wintersemester 2025/26 einen regel­mä­ßi­gen Nachhaltigkeitsbericht für die gesam­te Universität zu erstel­len. Darüber hin­aus emp­fiehlt der Plan die Einrichtung des Hochschulklimarates als demo­kra­tisch gewähl­te und stän­di­ge Institution an der MLU.

Nachhaltige Mobilität

Im Bereich Mobilität wur­den vor allem Dienstreisen als Kategorie aus­ge­macht, in der Emissionen effek­tiv ein­ge­spart wer­den kön­nen. Dafür wird vor­ge­schla­gen, Inlandsflüge zu ver­bie­ten, bezie­hungs­wei­se die Voraussetzungen für Ausnahmeregelungen zu ver­schär­fen und statt­des­sen finan­zi­el­le oder zeit­li­che Anreize für die Nutzung von nach­hal­ti­ge­ren Verkehrsmitteln wie der Bahn zu schaf­fen. Auch der öffent­li­che Personennahverkehr inner­halb der Stadt soll ver­bes­sert wer­den. “Für eine aus­rei­chen­de und attrak­ti­ve Personenbeförderung durch die HAVAG soll eine varia­ble und zum Teil höhe­re Taktung mit Spitzenversorgung am Morgen und Abend sowie län­ge­re Straßenbahnen ein­ge­setzt wer­den.“ Des wei­te­ren sol­len die Radwege zwi­schen den Campus ver­bes­sert und aus­ge­baut wer­den, bei­spiels­wei­se durch die Entfernung von Kopfsteinpflaster. Außerdem soll es die Möglichkeit eines kos­ten­lo­sen Fahrradverleihs für Studierende und Auszubildende geben. Auch Reparaturstationen für Fahrräder waren im Gespräch. Eine wei­te­re Idee ist die Entwicklung einer Mobilitätsapp, wel­che Wege mit dem gerings­ten CO2-Ausstoß ermit­teln kann und zudem die indi­vi­du­el­le Mobilität anonym aus­wer­tet. Dadurch wären Prämien für die Personen denk­bar, die bei­spiels­wei­se durch die Nutzung von Fahrrad oder ÖPNV beson­ders weni­ge Emissionen ver­ur­sa­chen. Darüber hin­aus dis­ku­tier­te der Hochschulklimarat über die Veränderung der Parkpolitik. Parken soll nicht ver­bo­ten, aber umständ­li­cher und teu­rer wer­den. Hier wird aber auch kon­kre­ti­siert, dass die­se Regelung für Erziehende und Menschen mit Behinderung nicht gel­ten soll. Außerdem soll es mehr Park-and-Ride-Angebote geben.

Laut einem Mitglied des Hochschulklimarates konn­te auf­grund feh­len­der Daten die Pendelaktivitäten zwi­schen Leipzig und Halle nicht in die Maßnahmenentwicklung ein­be­zo­gen wer­den. Hierbei wird als not­wen­di­ge Konsequenz gese­hen, dass die­se Statistiken erho­ben und Maßnahmen ent­wi­ckelt wer­den müs­sen, um den Individualpendelverkehr zu reduzieren.

Regenerativer Campus

Das Konzept des rege­ne­ra­ti­ven Campus ver­folgt nicht nur das Ziel der Nachhaltigkeit, son­dern beinhal­tet auch, dass die Gestaltung des Campus aktiv zur Regeneration der Umwelt bei­trägt. Dabei wird nicht nur dar­auf abge­zielt, den Ressourcenverbrauch zu ver­rin­gern, son­dern ihn sogar umzu­keh­ren, indem Ressourcen selbst her­ge­stellt wer­den. Für die Umsetzung die­ses Konzepts schlug der Hochschulklimarat die Installation von Photovoltaik-Anlagen vor, bei­spiels­wei­se auf Dächern oder frei­en Flächen. Außerdem sol­len Campusflächen zuneh­mend ent­sie­gelt und mit regio­na­len und bio­di­ver­si­täts­för­dern­den Pflanzen begrünt wer­den. Zum Beispiel kann die Anzahl der vor­han­de­nen Parkplätze ver­rin­gert und für die Bepflanzung genutzt wer­den. „Langfristige Ziele sind mehr (ein­hei­mi­sche) Pflanzen und Insekten, eine bes­se­re Wasserversickerung und somit der Erhalt des Grundwassers sowie die Reduktion der Umgebungstemperatur in der Stadt.“ Auch die Begrünung von Dächern und Fassaden ist im Klimaplan ver­an­kert. In einer wei­te­ren Idee sol­len Student:innen und Mitarbeitende Gemeinschaftsbeete anle­gen und bewirt­schaf­ten und damit zu einer kli­ma­freund­li­chen Versorgung der Mensen bei­tra­gen. Auch Mülltrennung ist dem Hochschulklimarat ein wich­ti­ges Anliegen, wel­ches vor allem inner­halb der Universitätsgebäude umge­setzt wer­den soll. Dies stellt eine nied­rig­schwel­li­ge und schnell imple­men­tier­ba­re Maßnahme dar.

Nachhaltige Beschaffung und Ernährung

Prinzipiell erach­tet der Hochschulklimarat eine umfas­sen­de Digitalisierung der Universität als wich­ti­ge Grundlage. Darüber hin­aus fand die Idee eines hoch­schul­in­ter­nen Tausch- und Leihsystems für elek­tro­ni­sche Geräte viel Zustimmung. Zudem soll die bis­he­ri­ge Ausstattung auf ihre Treibhausgasbilanz geprüft und bei Neuanschaffungen auf mög­lichst nach­hal­ti­ge Optionen geach­tet wer­den. Auch die Ernährungsangebote der Mensen und Cafeterias bie­ten gro­ßes Potenzial für eine nach­hal­ti­ge­re Gestaltung. Allerdings wird dies­be­züg­lich im Klimaplan betont, dass hier­für das Studentenwerk und nicht die Universität zustän­dig ist. Eine poten­zi­el­le Maßnahme wäre hier aber die „indi­vi­du­el­le Berechnung der Klimabilanz für jedes Mensagericht (auch Snacks der Cafés) und davon abhän­gi­ge Preise. Je kli­ma­schäd­li­cher ein Gericht ein­ge­stuft wird, des­to teu­rer ist es; je nach­hal­ti­ger es ist, des­to preis­wer­ter.“ Darüber hin­aus soll auf die Fairness der Preise geach­tet und auch ein ver­güns­tig­tes Speiseangebot für Auszubildende zur Verfügung gestellt wer­den. Auch fleisch­freie Tage, sowie ein garan­tier­tes vega­nes Angebot in jeder Mensa stan­den zur Debatte.

Wird die MLU mit diesem Plan klimaneutral?

Diese Frage kann bis­lang nicht beant­wor­tet wer­den. Der Klimaplan legt zwar vie­le Ideen vor, um den Hochschulbetrieb nach­hal­ti­ger und kli­ma­freund­li­cher zu gestal­ten, aber es gibt kei­ne Zahlen oder Hochrechnungen, ob mit der Umsetzung die­ser Maßnahmen eine Klimaneutralität oder gar ‑posi­ti­vi­tät erreich­bar wäre. Zudem sind die Empfehlungen des Hochschulklimarates nur Vorschläge, die kei­ner­lei Verbindlichkeit haben. Es ist also unklar, wie vie­le der vor­ge­stell­ten Maßnahmen tat­säch­lich umge­setzt wer­den. Zudem wer­den im gesam­ten Projekt Chancen ver­tan, die kom­plet­te Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt kli­ma­freund­li­cher zu gestal­ten. So las­sen sich bei­spiels­wei­se Kooperationen mit der nahe gele­ge­nen Burg Giebichenstein oder der Hochschule Merseburg ver­mis­sen, wel­che die Möglichkeit einer schnel­le­ren und umfang­rei­che­ren Umsetzung von kli­ma­freund­li­chen Maßnahmen an mehr Hochschulen eröff­net hät­te. Mit der aktu­el­len Projektstruktur sol­len die nicht ein­be­zo­ge­nen Hochschulen erst nach Erprobung der vor­ge­schla­ge­nen Maßnahmen Zugriff auf die Ergebnisse haben und die gewon­ne­nen Erkenntnisse auf ihre eige­nen Strukturen anwen­den kön­nen. Dadurch wird eine Verbesserung der Klimabilanz von Hochschulen in Sachsen-Anhalt ausgebremst.

Mario F. als Mitglied des Hochschulklimarates bewer­tet den Klimaplan, wie er vor­ge­legt wur­de, als ambi­tio­niert, aber uto­pisch. “Vor allem zeigt er die Grenzen des­sen auf, was ein­zel­ne Institutionen leis­ten kön­nen und wo eine Gesellschaft gemein­sam eine Richtungsänderung vor­neh­men muss. Dann aber auch, indem man die ent­spre­chen­den Ressourcen auf die­se Aufgabe ver­wen­det. So, wie es hier ist, wirkt es wie­der ein­mal wie ein Alibiprojekt. Nicht zuletzt drückt sich das auch in der Finanzierung und Besetzung des Nachhaltigkeitsbüros aus, das zur Zeit der Übergabe des Klimaplans keine:n Chef:in mehr hat­te, weil man die Stelle nicht recht­zei­tig ver­län­gert hatte.”

Auch die Students for Future Halle kri­ti­sie­ren in einem Statement die Situation im Nachhaltigkeitsbüro. “Ohne per­so­nel­le Kompetenzen sind die Ziele nicht gut koor­di­nier- und umsetz­bar. Das Rektorat ist bis­her nicht bereit, hier auf unse­re Forderungen ein­zu­ge­hen. Wir hat­ten ursprüng­lich fünf Stellen für das Büro gefor­dert.” Zudem bewer­te­ten sie die man­gel­haf­te Datenlage als nega­tiv, da des­halb wich­ti­ge Maßnahmen –bei­spiels­wei­se zu dienst­li­chen Flugreisen – nicht erar­bei­tet wer­den konn­ten. “Also alles in allem wird die Uni dadurch sicher nicht kli­ma­neu­tral bis 2030, was ein­heit­li­cher Senatsbeschluss ist. Dafür braucht es deut­lich mehr. Natürlich ist nicht allei­ne der Klimaplan oder nur das Rektorat ver­ant­wort­lich. Aber auch sie kom­men ihrer gro­ßen Verantwortung nicht nach. Am Ende zei­gen alle mit den Fingern auf ande­re und nut­zen das impli­zit als Ausrede für das eige­ne unzu­rei­chen­de Handeln.”, so ein Sprecher der Gruppe.

Zum Weiterlesen

https://www.rektorin.uni-halle.de/stabsstellen/vielfalt-chancengleichheit/nachhaltigkeit/klimaplanreal/

Text und Fotos/Bearbeitung: Henriette Schwabe

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