Während viele noch im weihnachtlichen Fresskoma lagen und auf Silvester zusteuerten, fand in Leipzig der sogenannte Hackerkongress statt. Auch wenn die Technologie im Fokus stand: Der Kongress war nicht nur für sogenannte Nerds relevant.
Zwischen Weihnachten und Neujahr entsteht auf der Leipziger Messe eine einzigartige Welt, die Welt des 35. Chaos Communication Congress, kurz: 35c3. Im Jahre 1984 begonnen und durch ganz Deutschland gewandert, begibt der Kongress sich zum zweiten Mal hintereinander nach Leipzig. Aus den unterschiedlichsten Ländern finden sich Hackerspaces sowie anderweitig technisch und politisch interessierte Gruppen zusammen, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Im Mittelpunkt steht dabei ein gesellschaftlich verträglicher Umgang mit neuen Technologien und wie diese allen Menschen zu Gute kommen können. Gespräche werden dabei in verdunkelten Hallen mit hypnotisierender Beleuchtung und verrückten Kunstwerken geführt, eine einzigartige Atmosphäre. In der Ausgestaltung ihres Raumes völlig frei, entstehen hierbei von den verschiedenen Hackerspaces unter anderem Lockpicking-Workshops, Kochkurse, Gaming Areas, Indoor-Rennstrecken sowie die Möglichkeit, das Löten und Arbeiten an Platinen kennenzulernen. Insbesondere das Lockpicking, also das Öffnen von Schlössern ohne Schlüssel hat eine große Tradition auf dem C3. Der Kreativität sind hierbei kaum Grenzen gesetzt.
Hilfe aus dem Himmel
Viele dieser Angebote richten sich auch an Kinder und Jugendliche, welche hier einen eigenen großen Bereich zum Experimentieren mit analogen sowie digitalen Spielen auf der Messe bekommen haben. Der Klötzchenbau mit Minecraft und überdimensionalen Legosteinen ist dabei ein wesentlicher Bestandteil. Auch hier soll direkt der Spaß am Umgang mit Technologie, gleichzeitig aber auch Verantwortung vermittelt werden. Anknüpfend daran finden sich vielfältige Rückzugsmöglichkeiten wie Sitzecken, Hängematten und sogar ein Ruheraum auf dem Kongress. Möglich wird dies nur durch die „Engel“, tausende Freiwillige, die unbezahlt den Kongress in allen Positionen unterstützen. Gleichzeitig sind die „Engel“ aber auch normale TeilnehmerInnen, welche sich auch eine Eintrittskarte gekauft haben. Die Organisation findet dabei über das Engelsystem statt, in dem die Freiwilligen aus zahlreichen Aufgaben wählen. Vermutlich sorgt diese Gesamtheit der Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme für eine unerwartet diverse Teilnehmerschaft. Eine Frauenqoute von 50% kann dabei zwar nicht erreicht werden, jedoch ist eine deutliche Durchmischung mit Kindern und Frauen spürbar.
„Open Source Orgelbau“ — ein breites Programm
Ein großer Faktor für die diversifizierte Klientel könnte auch die politische Ausrichtung des Kongresses sein, welcher teilweise oder ganz abseits von technischem Tiefgang ist. Dabei bilden die Solidaritätskrise und der damit einhergehende Umgang mit Geflüchteten, der Kampf gegen einen autoritären Staat sowie Datenschutz gegenüber Staaten und Unternehmen die Eckpfeiler der gesellschaftspolitischen Veranstaltungen auf dem 35c3. Events tragen dabei Titel wie: „#afdwegbassen: Protest, (Club-)Kultur und antifaschistischer Widerstand“, „Funkzellenabfrage: Die alltägliche Rasterfahndung unserer Handydaten“, „“The” Social Credit System“ und „Datenschutz für Neulandbürger“. Diese stehen im Kontrast zu anderen Events, welche Vorkenntnisse oder zumindest starke Neugier in spezifischen Bereichen erfordern: „Kosmische Teilchenbeschleuniger und ihre Spuren in der Antarktis“, „Compromising online accounts by cracking voicemail systems“, „Are machines feminine?“ und „Open Source Orgelbau“ sind dabei keine repräsentative Darstellung des umfangreichen Programms.
Der Besuch eines C3 ist also keinesfalls nur etwas für Nerds und angesichts der Relevanz der technischen Entwicklung ist die Teilnahme von sehr unterschiedlichen Menschen wertvoll für einen gelungenen Kongress. Wer bei dem nächsten C3 gerne dabei sein möchte, dem sei gesagt, dass die Tickets begehrt sind – mit einem Preis von 140€ mindestens aber ein Schnäppchen gegenüber anderen, noch kostspieligeren Kongressen aus dem IT-Bereich. Bedürftige haben allerdings auch die Möglichkeit ein vergünstigtes Ticket zu erlangen.
- Tipp: Alle Talks könnt ihr auch online nachschauen.
- Tipp Tipp: Nico Semsrott.