Hallenser:innen krem­peln die #Ärmelhoch! Dies tat auch Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand und trat damit den „Impfskandal“ von Halle los. Die vor­zei­ti­ge Impfung des ehe­ma­li­gen Oberbürgermeisters und eini­ger Stadträte wur­de zu einem deutsch­land­wei­ten Faupax. Dies hat neben den recht­li­chen Folgen für den Oberbürgermeister selbst, auch Auswirkungen für die Bürger:innen der Stadt. 

Die recht­li­che Seite: Der Oberbürgermeister ist dazu ange­hal­ten sein Amt unpar­tei­isch, unei­gen­nüt­zig und für das Allgemeinwohl nach §§33, 34 Beamtenstatusgesetz aus­zu­füh­ren. Durch die vor­zei­ti­ge Impfung stand zur Debatte, ob Wiegand sei­ne gesetz­lich fest­ge­leg­ten Pflichten ver­letz­te und wur­de letzt­lich auf Grund des­sen suspendiert. 

Bei die­ser Suspendierung han­del­te es sich um ein Dienstgeschäftsführungsverbot, auf Grundlage des §39 Beamtenstatusgesetz und §53 Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhhalts erläu­te­re Stefan Abisch, wis­sen­schaft­li­cher Mitarbeiter der juris­ti­schen und wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dies bedeu­tet, dass der Oberbürgermeister defac­to noch im Amt ist, aber aus zwin­gen­den dienst­li­chen Gründen sein Amt nicht mehr aus­füh­ren und auch die Diensträume der Stadtverwaltung nicht betre­ten darf. Diese zwin­gen­den dienst­li­chen Gründe, sind im Falle des Oberbürgermeisters die Verletzung sei­ner Aufgaben als von den Bürger:innen gewähl­ter Vertreter. Allerdings ist dies nicht das ein­zi­ge Verfahren, dem sich der Oberbürgermeister auf­grund der los­ge­tre­te­nen Debatte stel­len muss. Zuzüglich kom­men straf­recht­li­che Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen ver­un­treu­ter Unterschlagung von Impfdosen und ein aktu­ell ruhen­des Disziplinarverfahren des Landesverwaltungsamts hin­zu. Dieses Disziplinarverfahren wür­de nach Wiederaufnahme, dem Landesverwaltungsamt die Enthebung des Oberbürgermeisters gemäß §10 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt ermöglichen. 

Sind derartige Verbote die Norm? 

Dienstgeschäftsführungsverbote die­ser Art sind kein Einzelfall, wie unter ande­rem die Suspendierung Regina Blenkle, Bürgermeisterin der Stadt Haldensleben, aus dem Jahr 2017 zeigt. Auch Blenkle wur­de ähn­lich wie Wiegand zwangs­be­ur­laubt, da sie umstrit­te­ne Personalentscheidungen traf und Beschlüsse des Stadtrates nicht umsetz­te und Akten aus dem Rathaus der Stadt Haldensleben ent­nahm. Der Haldenslebener Stadtrat hat­te dar­auf­hin für eine Amtsentfernung geklagt und sieg­te in ers­ter juris­ti­scher Instanz. Sie darf bis auf Weiteres ihre Amtsgeschäfte nicht mehr aus­füh­ren — das Verfahren hier­zu läuft schon seit 5 Jahren. Eine ähn­li­che Situation kann der Stadt Halle (Saale) nun bevorstehen. 

“Bei sol­chen Ermittlungen ist es üblich, dass sie sich über meh­re­re Monate hin­zie­hen. Bis ein rechts­kräf­ti­ges Urteil ver­kün­det wird, kann es sogar Jahre dau­ern, wenn der Rechtsstreit sich über meh­re­re Instanzen zieht”, beur­teilt Abisch die Lage. 

Es las­se sich also zum aktu­el­len Zeitpunkt nicht ein­schät­zen, wie lan­ge die Stadt Halle (Saale) ohne Oberbürgermeister ver­wal­tet wird. Fraglich ist nun, wel­che Probleme sich aus der Suspendierung erge­ben und mit wel­chen Auswirkungen die Bürger:innen rech­nen müs­sen. Abisch erklärt: “Aus rein recht­li­cher Perspektive hat die Suspendierung kei­ne Auswirkungen. Im Innenbereich [der Stadtverwaltung] exis­tie­ren Vertretungsregelungen nach denen nun gear­bei­tet wird. Die Aufgaben des Bürgermeisters wer­den sich somit auf ver­schie­de­ne Köpfe verteilen.”

Auch der Stadtrat kön­ne trotz der Suspendierung wei­ter tagen und Entscheidungen fäl­len, so ist “die Suspendierung von Herrn Dr. Bernd Wiegand kein beson­de­rer Anfechtungsgrund von Entscheidungen”. 

Foto: Tom Wilsdorf
Eine Stadt im Zwiespalt 

Doch abseits der recht­li­chen Seite scheint ein viel grö­ße­res Problem zu bestehen: das schwin­den­de Vertrauen der Bürger:innen in die Stadtverwaltung und die kom­mu­na­le Politik. Die Stimmung in der Stadt wirkt gespal­ten. Einige Bürger:innen posi­tio­nie­ren sich für die Entscheidung Wiegands und den­ken er habe in die­ser beson­de­ren Notlage rich­tig gehan­delt. „Der Wiegand hat es nie ein­fach gehabt. Die Impfdosen wären ja ver­fal­len und Hauptsache Leute sind geimpft.“ sagt Elisabeth Hoffmann, Rentnerin aus Halle dazu. Dagegen steht die Meinung ande­rer, wie Felix, Politikwissenschaftsstudent aus Halle, die­ser stellt sich klar gegen den Oberbürgermeister und unter­stützt die lau­fen­den Verfahren: „Sein Verhalten war unmo­ra­lisch und falsch. Gerade zum Beginn der Pandemie waren die Impfdosen der­ma­ßen knapp und gera­de älte­re Menschen hät­ten sie drin­gen­der gebraucht als der [Wiegand] und eini­ge Stadträte.“ Ähnlich wie Felix sehen dies auch wei­te­re Bürger:innen der Stadt Halle (Saale) und den­ken, dass Wiegand die Stadt nicht mehr nach außen hin ver­tre­ten kann. 

Trotz sei­ner erfolg­rei­chen Wiederwahl im Jahr 2019 war das Verhältnis zwi­schen Bevölkerung, Stadtrat und Oberbürgermeister in der lau­fen­den Legislaturperiode ange­spannt. Ob der Oberbürgermeister die Amtsgeschäfte wie­der auf­neh­men kann oder die Hallenser:innen erneut zur Wahlurne bege­hen müs­sen, bleibt noch offen — hier­für müs­sen die Ermittlungen abge­war­tet werden. 

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