Sobald die ers­te Kerze auf dem Adventskranz ange­zün­det wird, ist Heiligabend nicht mehr weit. Doch die Vorkehrungen für Weihnachten begin­nen nicht nur in Deutschland, auch in ande­ren Teilen der Welt wirft das gro­ße Fest sei­ne Schatten vor­aus, wie zum Beispiel in Russland. Dort gilt aller­dings: Silvester-Knaller vor Weihnachtslichtern. 

Die Winterzeit in Russland ist etwas sehr Besonderes. Denn die Heilige Nacht »Рождество« (rosch­deß­t­wo) und das Neujahrsfest »Новый год« (nowyy god) am 31.12. tau­schen ihre Plätze. Das rus­si­sche Weihnachtsfest wird nicht wie bei uns im Dezember gefei­ert, son­dern vom 6. auf den 7. Januar zele­briert – 13 Tage spä­ter. Dies lässt sich auf die Bestimmung der rus­sisch-ortho­do­xen Kirche zurück­füh­ren, die alle Festtage nach dem alten julia­ni­schen Kalender fest­legt. Die Zeitrechnung der römisch-katho­li­schen und evan­ge­li­schen Kirchen erfolgt seit 1582 mit dem gre­go­ria­ni­schen Kalender.

Seit 1991 gel­ten die rus­sisch-ortho­do­xen Weihnachtstage als offi­zi­el­le Feiertage, denn in der Sowjetunion war die Ausübung von Religion ver­pönt. Bevor jedoch vom 30. Dezember bis zum 8. Januar die Festtage statt­fin­den, wer­den in den Kindergärten und Schulen noch gro­ße Neujahrskonzerte auf­ge­führt. Auf die­sen Konzerten füh­ren die Kinder ver­schie­de­ner Altersstufen die vor­her ein­stu­dier­ten Tänze und Lieder auf. Dabei darf natür­lich das tra­di­tio­nel­le Silvesterlied »Im Walde steht ein Tannenbaum« (»В лесу родилась ёлочка«/ v lesu rodi­las yoloch­ka) nicht feh­len. Ein belieb­ter Gast auf die­sen Veranstaltungen ist Väterchen Frost »Дед Мороз« (djed moros), der mit sei­ner Enkelin Schneeflöckchen, »Снегурочка« (sne­gu­rot­sch­ka), Präsente an die Kinder ver­teilt. Aber bevor die Geschenke an die Kinder über­ge­ben wer­den, müs­sen die­se ganz laut im Chor »Väterchen Frost, Väterchen Frost, Väterchen Frost« rufen.

Mit der Familie ins neue Jahr

Die rus­si­schen Feierlichkeiten zu Silvester ähneln unse­ren Neujahrsfeiern nur in Ansätzen. Denn an die­sem Abend wird in Russland ein beson­de­rer Wert auf ein gemüt­li­ches und herz­li­ches Beisammensein der Familie gelegt, bei dem der Alkohol nicht feh­len darf. Während im Fernsehen meh­re­re Stunden lang die klas­si­schen sowje­ti­schen Silvesterfilme gezeigt wer­den, sit­zen die Familienangehörigen bequem zusam­men, essen unter­schied­li­che Gerichte wie zum Beispiel Schichtsalat mit Matjes und roter Beete, schä­len unzäh­li­ge Mandarinen und las­sen es sich bei einem guten Schluck Sekt oder Champagner gut gehen. »An die­sem Abend wird sehr viel Essen vor­be­rei­tet, sehr vie­le Mandarinen wer­den geges­sen, und sehr, sehr viel wird getrun­ken«, erzählt die rus­si­sche Studentin Valerija.

Illustration: Janika Reichel

Zu den typi­schen Silvesterfilmen, die jedes Jahr aufs Neue im Fernsehen gezeigt wer­den, gehört die roman­ti­sche Liebeskomödie »Ironie des Schicksals« (Ирония судьбы или С легким паром/ iro­ni­ja sud­by ili s ljochkim parom) aus dem Jahr 1975. Betrunken ler­nen sich die bei­den Hauptpersonen Schenja und Nadja durch Zufall in die­sem drei­stün­di­gen Film ken­nen und lie­ben. Auch die Situationskomödie »Operation Y« (Операция »Ы«/ ope­ratsi­ya »Y«) aus dem Jahr 1965 zählt zu den Kultfilmen zu Neujahr. Hier wer­den die Abenteuer von Shurik gezeigt, einem nai­ven sowje­ti­schen Studenten, der sich oft in außer­ge­wöhn­li­chen Situationen wiederfindet.

Feuer im Glas

Kurz vor Mitternacht wird die Neujahrsansprache des amtie­ren­den rus­si­schen Präsidenten im Fernsehen über­tra­gen. Das neue Jahr wird in Russland mit einer alten Tradition begrüßt: Wenn die Uhr Mitternacht schlägt, wer­den auf klei­nen Zetteln Wünsche für das kom­men­de Jahr auf­ge­schrie­ben. Danach müs­sen die­se Wunschzettel mit einem Feuerzeug über dem vol­len Champagnerglas ange­zün­det wer­den. Damit der Wunsch auch in Erfüllung gehen kann, muss das Glas mit der her­un­ter­ge­rie­sel­ten Asche aus­ge­trun­ken wer­den. Anschließend wird das neue Jahr, genau wie in Deutschland, mit Raketen und Böllern empfangen.

Während wir in Deutschland am 6. Januar das Ankommen der Heiligen Drei Könige fei­ern, zele­brie­ren die gläu­bi­gen Russinnen und Russen Heiligabend (»сочельник«/sochel’nik). An die­sem Tag zie­hen die Menschen von Tür zu Tür und sin­gen sich tra­di­tio­nel­le und reli­giöse sla­wi­sche Lieder vor. Auch wäh­rend des stun­den­lang statt­fin­den­den Gottesdienstes am Abend des 6. Januar ist das Singen von Liedern sehr wich­tig. Im Gegensatz zu den Weihnachtsfeierlichkeiten in Deutschland gibt es in Russland kei­ne Bescherung, da sich die meis­ten Russinnen und Russen zu Silvester gegen­sei­tig beschenken.
Es bleibt uns allen, ein fröh­li­ches neu­es Jahr und fro­he Weihnachten zu wün­schen. Vielleicht sogar mit einem eige­nen Champagnerglas vol­ler Wünsche! C новым годом и С Рождеством (ß nowym godam i ß roschdeßtwom)!

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